Cronin, Justin
irgendeine Öffnung
im Boden. Er schlang die Arme um Amys Taille, wie er es vorher getan hatte, und
dann rutschte er auf dem Rücken voran. Das Licht wurde heller, als sie näher
kamen. Es schimmerte durch eine vergitterte Öffnung herauf.
Das Gitter war von der anderen Seite
festgeschraubt.
Er war den Tränen nahe. Sie waren so weit
gekommen! Aber selbst wenn er durch das enge Gitter greifen und die Schrauben
mit den Fingern hätte erreichen können - er hatte kein Werkzeug, keine Möglichkeit,
sie herauszudrehen. Und zurückzukriechen war ausgeschlossen. Er hatte keine
Kraft mehr.
Etwas bewegte sich dort unten.
Er drückte Amy fest an sich und dachte an die
Männer, die er gesehen hatte: Fortes, den Soldaten in der Blutlache, den Mann
namens Grey. So wollte er nicht sterben. Er schloss die Augen, hielt den Atem
an und war absolut still.
Dann hörte er eine Stimme, leise und fragend:
»Chief?«
Es war Doyle.
Eine der Kisten vom Lastwagen stand bereits
dahinter auf dem Boden. Es sah aus, als habe jemand mit dem Abladen angefangen
und dann fluchtartig das Weite gesucht. Richards warf einen kurzen Blick auf
die Ladefläche und fand ein Stemmeisen.
Mit einem kurzen Schnappen brach das Scharnier.
In der Kiste lagen, in Schaumstoff gebettet, zwei Raketenwerfer vom Typ
RPG-29. Er hob sie mit der Halterung heraus und entdeckte darunter die Raketen,
mit Flossen versehene Zylinder, etwa einen halben Meter lang und bestückt mit
Panzerabwehr-Sprengköpfen mit Tandemhohlladung, die in der Lage waren, einen
modernen Kampfpanzer zu durchschlagen. Richards hatte gesehen, was sie
anrichten konnten.
Er hatte sie angefordert, als der Befehl
gekommen war, die Glühstäbe zu verlegen. Vorsicht ist die Mutter der
Porzellankiste, hatte er gedacht. Sag Laut Aaah.
Er schob die erste Rakete in den Werfer. Eine
kurze Drehung, und er hörte das beruhigende Summen, das ihm sagte, dass der
Sprengkopf scharf war. Jahrtausende des technischen Fortschritts, die ganze Geschichte
der menschlichen Zivilisation, schienen in diesem Summen enthalten zu sein -
im Summen eines einsatzbereiten Raketenwerfers. Das RPG-29 war mehrfach
verwendbar, aber Richards wusste, dass er nur einen Schuss frei hatte. Er hob
die Waffe auf die Schulter, brachte die Zielvorrichtung in ihre Position und
trat vom Lastwagen weg.
»Hey!«, schrie er, und genau in diesem
Augenblick, als seine Stimme in der Dunkelheit verhallte, empfand er einen
kalten Schauer von Übelkeit, der aus seinen Eingeweiden heraufquoll. Der Boden
unter seinen Füßen schwankte wie ein Bootsdeck auf hoher See. Schweißperlen traten
auf sein Gesicht. In einer willkürlichen Schaltung seines Hirns spürte er den
Drang zum Blinzeln. Ah. Es ging schneller, als er gedacht hatte. Er schluckte
angestrengt und ging noch einmal zwei Schritte weiter ins Licht hinein, und
dann richtete er das RPG auf die Baumwipfel
»Hier, Miez, Miez!«, schrie er.
Eine bange Minute verging, während Doyle diverse
Schubladen durchwühlte, bis er ein Taschenmesser gefunden hatte. Er stieg auf
einen Stuhl und schraubte mit der Klinge das Gitter ab. Wolgast ließ Amy zu ihm
hinunter und sprang dann selbst.
Er begriff nicht gleich, wen er vor sich sah.
»Schwester Lacey?«
Sie drückte das schlafende Mädchen an sich.
»Agent Wolgast.« Wolgast sah Doyle an. »Ich verstehe nicht...«
»Nicht?« Doyle zog die Brauen hoch. Er trug
einen OP-Anzug wie Wolgast. Er war ihm zu groß und hing lose an seinem Körper. »Glauben
Sie mir.« Er lachte kurz. »Ich verstehe es auch nicht.«
»Hier sind überall Tote«, sagte Wolgast.
»Irgendetwas ... Ich weiß es nicht. Es gab eine Explosion.« Er wusste nicht
weiter.
»Das wissen wir.« Doyle nickte. »Wird Zeit, dass
wir verschwinden.«
Sie gingen hinaus in den Flur. Wolgast
vermutete, dass sie irgendwo im hinteren Teil des Chalets waren. Es war still;
nur vereinzelt hörten sie draußen noch Gewehrschüsse. Schnell, und ohne zu
reden, liefen sie zum vorderen Eingang. Wolgast sah die toten Soldaten, die
dort lagen.
Lacey drehte sich zu ihm um. »Nehmen Sie das
Kind«, sagte sie. »Nehmen Sie Amy.«
Er gehorchte. Viel Kraft hatte er in den Armen
nicht mehr, aber er drückte sie fest an sich. Sie stöhnte leise; sie versuchte
aufzuwachen und kämpfte gegen die Macht, die sie im Zwielicht festhielt. Sie
gehörte in ein Krankenhaus, doch selbst wenn er hier eins finden könnte, was
sollte er dann sagen? Wie wollte er das alles erklären? Die Luft an der Tür
war
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