Cronin, Justin
von
Baracken. Alles war seltsam still, niemand war unterwegs. Als sie an dem
Schuppen vorbeikamen, in dem die Party stattgefunden hatte, war er verlassen.
In allen Häusern war es dunkel. Peters Haut prickelte, als die kühlende
Wüstennacht herabsank, aber er wusste, dass es nicht nur an den frischen
Temperaturen lag. Er spürte die Augen der Leute, die ihn hinter den Fenstern
beobachteten.
»Sieh nicht hin«, sagte Alicia. »Ich spüre es
auch. Einfach weitergehen.«
Als sie zu ihrer Baracke kamen, kehrten auch
Hollis und die andern zurück. Sara war außer sich vor Sorge. Peter berichtete
ihnen von der Unterredung mit Olson.
»Sie haben ihn irgendwohin gebracht, nicht
wahr?«, sagte Lish.
Es sah ganz so aus. Aber wohin, und in welcher
Absicht? Olson log, das war offensichtlich. Und was noch seltsamer war: Olson
wollte anscheinend, dass sie es wussten.
»Wer ist jetzt da draußen, Hightop?«
Caleb hatte seinen Posten an der Tür
eingenommen. »Die beiden Üblichen. Sie lungern auf der anderen Seite herum und
tun, als ob sie uns nicht beobachteten.«
»Sonst noch jemand?«
»Nein. Ist totenstill da draußen. Auch keine
Kinder.«
»Geh Maus wecken«, sagte Peter. »Sag ihr nichts.
Bring sie und Amy her. Mit ihrem Gepäck.«
»Hauen wir ab?« Calebs Blick huschte zu Sara und
wieder zurück. »Was ist mit Akku?«
»Ohne ihn gehen wir nirgendwohin. Jetzt lauf.«
Caleb verschwand wie der Blitz. Peter und Alicia
wechselten einen Blick. Irgendetwas war im Gange. Sie würden schnell handeln
müssen.
Gleich darauf war der Junge wieder da. »Sie sind
weg.«
»Wie weg?«
Caleb war aschfahl im Gesicht. »Nebenan ist
niemand mehr, Peter.«
Das war alles seine Schuld. Bei der hastigen
Suche nach Michael hatte er die beiden Frauen alleingelassen. Er hatte Amy alleingelassen. Wie hatte er so dumm sein können?
Alicia hatte ihre Krücken beiseitegelegt und
wickelte den Verband von ihrem Bein. Darunter kam das Messer zum Vorschein, das
sie am Abend ihrer Ankunft dort versteckt hatte. Die Krücken waren ein Trick;
die Wunde war fast ganz verheilt. Alicia stand auf.
»Es wird Zeit, dass wir die Gewehre finden«,
sagte sie.
Was immer Billie ihm ins Wasser getan hatte, die
Wirkung hielt noch an.
Michael lag auf der Ladefläche eines Pick-ups
unter einer Plastikplane. Die Ladefläche war voll von klappernden Rohren.
Billie hatte ihm befohlen, still zu liegen und keinen Mucks von sich zu geben,
aber das Nervenflattern war fast unerträglich. Wie kam sie dazu, ihm ein
solches Gebräu einzuflößen und dann zu erwarten, dass er ganz still dalag? Das
Zeug wirkte wie das Gegenteil von Schnaps: als singe jede Zelle seines Körpers
einen einzigen Ton. Als liefen seine Gedanken durch einen Filter, der ihnen
eine helle, pulsierende Klarheit verlieh.
Schluss mit den Träumen, hatte sie gesagt.
Schluss mit der fetten Lady mit ihrem Rauch und dem Geruch und der
schrecklichen, kratzigen Stimme. Woher wusste Billie, was er träumte?
Einmal hatten sie angehalten, kurz hinter dem
Krankenrevier, das sie durch den Hinterausgang verlassen hatten. Irgendein
Checkpoint. Michael hörte eine Stimme, die er nicht kannte; jemand fragte
Billie, wohin sie wolle. Unter der Plane hörte Michael beklommen zu.
»Auf dem östlichen Feld ist eine Leitung
gebrochen«, sagte Billie. »Olson sagt, ich soll diese Rohre hinausbringen,
damit die Arbeitskolonne morgen anfangen kann.«
»Wir haben Neumond. Du solltest nicht draußen
sein.«
Neumond, dachte Michael. Was war denn so wichtig
am Neumond?
»Hör zu, Olson hat es gesagt. Wende dich an ihn,
wenn du willst.«
»Wie wollt ihr denn rechtzeitig zurück sein?«
»Das lass meine Sorge sein. Können wir jetzt
durchfahren oder nicht?«
Das Schweigen wirkte angespannt. Schließlich
sagte die Stimme: »Aber seht zu, dass ihr zurück seid, bevor es dunkel ist.«
Jetzt war eine Weile vergangen, und Michael
spürte, dass der Truck wieder langsamer fuhr. Er zog die Plane zur Seite und
sah den violetten Abendhimmel und eine dicke Staubwolke, die hinter dem Truck
verwehte. Die Berge waren eine ferne Wölbung am Horizont.
»Du kannst jetzt herunterkommen.«
Billie stand an der Heckklappe. Michael
kletterte dankbar von der Ladefläche; endlich konnte er sich wieder bewegen.
Sie parkten vor einem riesigen Blechschuppen, mindestens zweihundert Meter
lang und mit einem tonnenförmig gewölbten Dach. Dahinter sah er die Umrisse
rostiger Treibstofftanks. Das Gelände war überzogen von einem Netz
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