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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Augen, und die Küche verschwand.
Er saß auf der Pritsche. Die Zelle mit der Tür und dem stinkenden Loch, das
seine Scheiße und Pisse schluckte. Wie spät mochte es sein? Welcher Tag,
welcher Monat, welches Jahr? Er war seit einer halben Ewigkeit hier.
    »Theo? Hörst du mir zu?«
    Er leckte sich die Lippen und schmeckte Blut.
Hatte er sich auf die Zunge gebissen? »Was willst du?«
    Ein Seufzer hinter der Tür. »Ich muss schon
sagen, Theo, ich bin beeindruckt. Niemand hält so lange durch. Ich glaube, du
stellst hier einen Rekord auf.«
    Theo antwortete nicht. Wozu auch? Die Stimme
beantwortete niemals seine Fragen. Falls es die Stimme überhaupt gab. Manchmal
glaubte er, dass sie nur in seinem Kopf existierte.
    »Ich meine, klar«, fuhr die Stimme fort, »in
manchen Fällen könnte man wohl sagen, es geht ihnen gegen den Strich, das alte
Miststück aufzuschlitzen.« Ein dunkles Lachen, wie aus einem tiefen Schacht.
»Glaub mir, ich habe hier Leute schon die irrsinnigsten Sachen tun sehen.«
    Es war furchtbar, dachte Theo, was das
Wachbleiben mit dem Verstand anstellen konnte. Man machte Liegestütze und Sit-ups
auf dem kalten Steinboden, bis die Muskeln wehtaten. Man ohrfeigte und kratzte
sich und grub die blutigen Fingernägel in die eigene Haut, nur um nicht
einzuschlafen, und nach einer Weile wusste man nicht mehr, ob man wirklich noch
wach war oder schlief. Alles verschwamm ineinander. Es war ein Schmerz, nur
schlimmer, denn der Schmerz war nicht im Körper. Es war der Verstand, und der
Verstand warst du selbst. Du warst der Schmerz.
    »Hör auf meine Worte, Theo. Du willst so was
nicht erleben. Es war keine Geschichte mit einem Happy End.«
    Er spürte, dass der Schlaf ihn überwältigen
wollte. Er bohrte die Fingernägel tief in den Handballen. Bleib.
Wach. Theo. Denn es gab etwas, das schlimmer war als wach zu
bleiben. Das wusste er.
    »Früher oder später gibt jeder auf. Das will ich
damit sagen, Theo.«
    »Woher weißt du meinen Namen?«
    »Wie bitte? Hast du etwas gesagt, Theo?«
    Er schluckte, und wieder schmeckte er Blut und
Fäulnis in seinem Mund. Er hatte den Kopf in die Hände gelegt. »Meinen Namen.
Du sagst ihn dauernd.«
    »Nur, damit du mir zuhörst. Du bist seit ein
paar Tagen nicht mehr du selbst, wenn ich das sagen darf.«
    Theo schwieg.
    »Also okay«, sagte die Stimme. »Du möchtest
nicht, dass ich dich mit deinem Namen anrede. Das verstehe ich nicht, aber ich
kann damit leben. Wechseln wir das Thema. Wie denkst du über Alicia? Denn ich
finde, dieses Mädel ist etwas ganz Besonderes.«
    Alicia? Die Stimme redete von Alicia? Das war
einfach nicht möglich. Doch alles hier war unmöglich, das war es ja gerade. Die
Stimme sagte andauernd Dinge, die unmöglich waren.
    »Also, ich dachte ja, es wäre Mausami - so, wie
du sie beschrieben hast«, fuhr die Stimme vergnügt fort. »Neulich in unserer
kleinen Unterhaltung. Da war ich ziemlich sicher, dass sie mir gefallen würde.
Aber diese Rothaarige hat etwas an sich, das mein Blut zum Kochen bringt.«
    »Ich weiß nicht, von wem du redest. Ich hab's
doch gesagt. Ich kenne niemanden, der so heißt.«
    »Du Hund, Theo.
Soll das heißen, du hast dein Rohr auch bei Alicia verlegt? Wo doch Mausami in anderen
Umständen ist?«
    Die Zelle schien zu kippen. »Was hast du
gesagt?«
    »Oh, tut mir leid. Hast du es nicht gehört? Na,
es wundert mich, dass sie es dir nicht erzählt hat. Deine Mausami, Theo.« Die
Stimme verfiel in einen Singsang. »Hat ein kleines Brötchen im Öfchen.«
    Theo versuchte sich zu konzentrieren, um die
Bedeutung der Worte, die er hörte, irgendwie erfassen zu können. Aber sein
Gehirn war schwer, so schwer, wie ein großer, glitschiger Stein, von dem die
Worte immer wieder herunterrutschten.
    »Ich weiß, ich weiß«, fuhr die Stimme fort. »Für
mich war es auch ein Schock. Aber zurück zu Lish. Wie hat sie's denn gern, wenn
du die Frage gestattest? Ich könnte mir vorstellen, sie ist ein Mädel, das auf
allen vieren den Mond anheult. Wie ist es, Theo? Korrigiere mich, wenn ich
falschliege.«
    »Ich ... weiß es nicht. Hör auf, mich so zu
nennen.«
    Kurze Pause. »Okay. Wie du willst. Versuchen wir
es mit einem neuen Namen, ja? Wie war's mit - Babcock?«
    Sein Hirn krampfte sich zusammen. Gleich würde
er sich übergeben. Er hätte es getan, wenn er noch etwas im Magen gehabt hätte.
    »Ah ... jetzt kommen wir weiter. Du weißt von
Babcock, nicht wahr, Theo?«
    Das war es, was auf der anderen Seite wartete,
auf der

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