Cronin, Justin
spielen zu lassen. Er kippte den
Kopf zur Seite und schnappte einmal scheinbar träge mit den Zähnen, als habe er
es nicht eilig- als hätten sie beide alle Zeit der Welt. Und in diesem
Augenblick begriff Michael, dass der Ort, an dem er seine Angst aufbewahrte,
leer war. Er, Michael der Akku, hatte keine Angst. Was er empfand, war eher
Wut, ein riesiger, müder Zorn, wie er ihn vielleicht einer Fliege
entgegengebracht hätte, die allzu lange um sein Gesicht herumgesummt war.
Verdammt, dachte er, während seine Hand zu der Scheide an seinem Gürtel
wanderte. Ich habe diese Biester so satt. Vielleicht gibt es vierzig Millionen
von euch, vielleicht auch nicht. In zwei Sekunden gibt es auf jeden Fall einen
weniger.
Als Michael sich erhob, flog der Viral ihm
entgegen. Er breitete Arme und Beine aus wie die Finger einer gespreizten Hand,
und Michael hatte gerade noch Zeit, das Messer vor sich auszustrecken, bevor er
reflexhaft die Augen zukniff. Er spürte den Biss des Stahls, und dann prallte
der Viral gegen ihn, warf ihn auf den Rücken und knickte über ihn hinweg.
Michael rollte sich herum und sah, dass der
Viral mit dem Gesicht nach oben im Schnee lag. Das Messer steckte in seiner
Brust, und seine Arme und Beine griffen mit paddelnden Bewegungen in die Luft.
Zwei Gestalten standen daneben: Peter und Amy. Wo kamen sie her? Amy hatte ein
Gewehr in der Hand - Michaels Gewehr. Es war voller Schnee. Die Kreatur zu
ihren Füßen gab ein Geräusch von sich, ein Seufzen oder ein Stöhnen. Amy
drückte den Gewehrkolben an die Schulter, senkte den Lauf und schob ihn in den
offenen Mund des Virais.
»Es tut mir leid«, sagte sie und drückte ab.
Michael stand auf. Der Viral rührte sich nicht
mehr; seine Todeszuckungen hatten aufgehört. Ein breiter Fächer von
Blutspritzern lag auf dem Schnee. Amy reichte Peter das Gewehr.
»Nimm.«
»Alles okay?«, fragte Peter ihn.
Erst jetzt merkte Michael, dass er zitterte. Er
nickte.
»Dann komm.«
Wieder fielen Schüsse hinter dem Höhenkamm. Sie
rannten los.
Es war nicht fair, was sie getan hatte, das
wusste Lacey - dass sie Peter und Amy in dem Glauben gelassen hatte, sie werde
mit ihnen gehen. Sie hatte den Zeitzünder der Bombe aktiviert, die beiden an
die Tür zu dem Tunnel nach draußen geführt und sie angewiesen, auf der anderen
Seite stehen zu bleiben. Dann hatte sie die Tür vor ihren Augen zugezogen und
die Riegel vorgeschoben.
Sie hörte, wie die beiden dagegenhämmerten. Sie
hörte Amys Stimme; ein letztes Mal hallte sie in ihrem Kopf wider.
Lacey, Lacey, geh nicht weg!
- Lauft jetzt. Er wird jeden Augenblick hier
sein.
Lacey, bitte!
- Du musst ihnen helfen. Sie werden Angst haben.
Sie werden nicht verstehen, was passiert. Hilf ihnen, Amy.
Alles, was hier passiert war, hier auf diesem
Berg, musste ausgelöscht werden, wie Gott die Erde ausgelöscht hatte in den
Tagen Noahs, damit das große Schiff davonsegeln und die Welt neu erschaffen
konnte.
Und Lacey würde Sein Wasser sein.
Ein so furchtbares Ding, diese Bombe. Sie war
klein, hatte Jonas erklärt, nur eine halbe Kilotonne - groß genug, um das
Chalet und alle seine unterirdischen Ebenen zu zerstören und alle Spuren
dessen, was sie getan hatten, zu verwischen, aber nicht so groß, dass irgendein
Satellit sie hätte registrieren können. Eine Sicherheitsmaßnahme für den Fall,
dass die Virais jemals ausgebrochen wären. Doch dann war in den oberen Ebenen
der Strom ausgefallen, und Sykes war weg oder tot gewesen. Jonas hätte die
Bombe auch selbst zünden können, hatte dies allerdings nicht über sich
gebracht, nicht solange Amy hier war.
Peter und Amy hatten zugeschaut, als Lacey davor
niedergekniet war: vor dem kleinen, kofferförmigen Kasten mit der stumpfen
Oberfläche aller militärischen Gegenstände. Jonas hatte ihr die einzelnen
Schritte gezeigt. Sie drückte auf eine kleine Einkerbung an der Seite, und eine
Klappe senkte sich herab. Dahinter war eine Tastatur und ein kleiner Monitor,
groß genug für eine einzelne Textzeile. Sie tippte:
ELIZABETH
Der Monitor leuchtete auf. ZÜNDER AKTIVIEREN? J / N Lacey drückte auf »J«.
ZEIT?
Sie überlegte kurz. Dann tippte sie »5«.
5 :00 BESTAETIGEN? J / N
Wieder tippte sie »J«. Auf dem Monitor begann
eine Uhr zu laufen.
4 :59
4 :58
4 :57
Lacey schloss die Klappe und richtete sich auf.
»Schnell«, sagte sie zu den beiden und führte
sie eilig durch den langen Gang. »Wir müssen jetzt raus.«
Und dann hatte sie sie
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