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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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ausgesperrt.
    Lacey, bitte. Ich weiß nicht,
was ich tun muss! Sag mir, was ich tun muss!
    - Du wirst es wissen, Amy,
wenn es so weit ist. Du wirst wissen, was in dir ist. Du wirst wissen, wie du
sie befreist, damit sie den Übergang hinter sich bringen und ihre letzte Reise
antreten können.
    Jetzt war sie allein. Ihre Arbeit war fast
getan. Als sie sicher war, dass Peter und Amy weg waren, schob sie die Riegel
zurück und öffnete die Tür weit.
    Komm zu mir, dachte
sie. Sie stand in der Tür, atmete tief durch, sie sammelte sich und sandte ihre
Gedanken aus. Komm zu dem Ort, wo du
geschaffen wurdest.
    Lacey wartete. Fünf Minuten - nach so vielen
Jahren erschien das wie nichts, und das war es ja auch.
     
    Der Morgen dämmerte über dem Berg.
    Zu dritt rannten sie auf die Schüsse zu. Sie
überquerten einen Höhenkamm, und unter ihnen sah Michael ein Haus und die
Pferde. Sara und Alicia standen vor der Tür und winkten.
    Die Biester waren jetzt hinter ihnen, zwischen
den Bäumen. Sie rannten den Hang hinunter und stürzten ins Haus. Greer und
Hollis kamen durch einen Vorhang. Sie schleppten eine hohe Kommode.
    »Sie sind gleich hinter uns«, sagte Michael.
    Sie schoben die Kommode gegen die Tür. Eine
hoffnungslose Geste, dachte Michael. Aber ein, zwei Sekunden würden sie damit
vielleicht herausschinden können.
    »Was ist mit den Fenstern?«, fragte Alicia.
»Können wir die irgendwie sichern?«
    Sie versuchten, den Schrank zu verschieben, doch
er war zu schwer. »Vergesst das«, sagte Alicia. Sie zog eine Pistole aus dem
Gürtel und drückte sie Michael in die Hand. »Greer, Sie und Hollis übernehmen
das Fenster im Schlafzimmer. Alle andern bleiben hier. Zwei an der Tür, einer
an jedem Fenster, vorn und hinten. Akku, du bewachst den Kamin. Sie werden als
Erstes die Pferde holen.«
    Alle gingen in Position.
    Aus dem Schlafzimmer schrie Hollis: »Da kommen
sie!«
     
    Etwas stimmt nicht, dachte Lacey. Sie müssten
inzwischen hier sein. Sie konnte sie fühlen, überall ringsumher, sie spürte
ihren Hunger im Kopf, ihren Hunger und die Frage.
    Wer bin ich?
    Wer bin ich?
    Wer bin ich?
    Sie trat in den Tunnel hinaus.
    Komm zu mir, antwortete
sie. Komm zu mir. Komm zu mir.
    Schnell ging sie durch den dunklen Gang. Sie
konnte die Öffnung schon sehen, einen Kreis, der langsam grau wurde. Das war
die verlängerte Morgendämmerung am Berg; das erste richtige Sonnenlicht würde
von Westen her einfallen, reflektiert von den Schnee- und Eisfeldern auf der
anderen Seite des Tals.
    Dann hatte sie die Tunnelmündung erreicht und
trat ins Freie. Unter sich sah sie die Spuren und die Verwüstung, die die
Virais bei ihrem Aufstieg am eisigen Hang hinterlassen hatten. Tausend mal
tausend, und mehr.
    Sie waren vorbeigezogen.
    Verzweiflung überkam sie. Wo bist du?, dachte
sie, und dann rief sie es laut, und sie hörte die Wut im Echo ihrer Stimme über
dem Tal. »Wo bist du?« Aber der Himmel schwieg.
    Dann, inmitten der Stille, hörte sie es.
    Ich bin hier.
    Die Virais rannten gleichzeitig gegen Türen und
Fenster an. Glas klirrte, und Holz splitterte mit wütendem Krachen. Peter, der
sich mit der Schulter gegen die Kommode gestemmt hatte, wurde rückwärts gegen
Amy gestoßen. Er hörte, wie Hollis und Greer aus dem Schlafzimmerfenster schossen.
Alicia, Michael, Sara - alle feuerten hinaus.
    »Zurück!«, schrie Alicia. »Die Tür gibt nach!«
    Peter packte Amy beim Arm und zog sie ins
Schlafzimmer. Hollis stand am Fenster, Greer saß neben dem Bett auf dem Boden
und blutete aus einer tiefen Wunde am Kopf.
    »Eine Glasscherbe!«, schrie er über das Dröhnen
von Hollis' Schüssen hinweg. »Nur eine Glasscherbe!«
    »Hollis, bleib an dem Fenster!«, rief Alicia.
Sie ließ den leeren Clip zu Boden fallen, schob einen neuen in den Schaft und
lud ihr Gewehr durch. Hier würden sie Widerstand leisten. »Alles bereitmachen!«
    Sie hörten, wie die Vordertür brach. Alicia, die
dem Vorhang am nächsten stand, fuhr herum und fing an zu feuern.

Der sie erwischte, war nicht der Erste, nicht
der Zweite, nicht mal der Dritte. Es war der Vierte. Inzwischen war ihr Magazin
leer. Später sollte Peter sich an eine Folge von Einzeleindrücken erinnern,
wenn er an die Szene dachte. Das Klingeln ihrer letzten Patronenhülsen auf dem
Boden. Der Pulverdampf in der Luft und der Senkrechtflug des leeren Magazins,
während sie ein neues aus der Weste zerrte. Der Viral, der sich durch den
zerfetzten Vorhang auf sie stürzte, die gnadenlose Glätte

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