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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Schild geschrieben haben.
Was Sie gesagt haben. Gott segne Sie. Ich
habe gehört, wie Sie es sagten. Denn die Sache ist die« - sie wartete nicht auf
seine Antwort -, »ich habe nicht das Gefühl, gesegnet zu sein, Anthony.« Sie
lachte gehetzt, sodass er eine Reihe von kleinen, perlweißen Zähnen sah, und
dann senkte sie den Blick. »Ist das nicht merkwürdig? Ich sollte es eigentlich,
aber ich tue es nicht. Ich fühle mich schrecklich. Ich fühle mich andauernd
schrecklich.«
    Carter wusste nicht, was er sagen sollte. Wieso
fühlte eine weiße Lady wie sie sich schrecklich? Aus den Augenwinkeln sah er
den leeren Kindersitz mit der bunten Spielzeugsammlung auf dem Rücksitz, und
er fragte sich, wo das Kind jetzt war. Vielleicht sollte er irgendetwas darüber
sagen - wie schön es für sie sein müsse, ein Baby zu haben. Die Leute hatten
gern Kinder, nach seiner Erfahrung, vor allem die Frauen.
    »Ist nicht so wichtig«, sagte die Frau. Sie
starrte mit leerem Blick durch die Frontscheibe zu dem Doughnut-Laden hinüber.
»Ich weiß, was Sie denken. Sie brauchen nichts zu sagen. Wahrscheinlich komme
ich Ihnen vor wie eine Verrückte.«
    »Sie kommen mir ganz okay vor.«
    Sie lachte wieder verbittert. »Ja, das ist es
eben, nicht wahr? Das ist es ja gerade. Ich wirke ganz okay. Da können Sie jeden fragen. Rachel Wood hat
alles, was ein Mensch sich wünschen kann. Rachel Wood wirkt völlig okay.«
    Eine Weile saßen sie einfach so da. Die Frau weinte
leise und starrte ins Leere, und Carter fragte sich immer noch, ob er besser
aussteigen sollte. Aber die Lady war ganz verstört, und es wäre nicht in
Ordnung, sie so allein zu lassen. Wollte sie, dass er Mitleid mit ihr hatte?
Rachel Wood: Vermutlich war das ihr Name, und sie redete von sich selbst. Aber
sicher war er nicht. Vielleicht war Rachel Wood auch eine Freundin von ihr,
oder jemand, der auf ihr Baby aufpasste. Früher oder später würde er
verschwinden müssen, das war klar. Die Stimmung, in der sie jetzt war, würde
vergehen, und dann würde sie begreifen, dass sie sich für diesen stinkenden
Nigger, der da in ihrem Auto saß, beinahe hätte erschießen lassen. Aber
vorläufig genügten die kühle Luft aus dem Gebläse am Armaturenbrett und das
seltsame, traurige Schweigen der Frau, um ihn sitzen bleiben zu lassen.
    »Wie heißen Sie mit Nachnamen, Anthony?«
    Er konnte sich nicht erinnern, dass ihm jemals
irgendjemand diese Frage gestellt hatte. »Carter«, sagte er.
    Was sie als Nächstes tat, überraschte ihn mehr
als alles andere bisher. Sie drehte sich auf dem Sitz herum, schaute ihm offen
ins Gesicht und reichte ihm die Hand.
    »Na«, sagte sie, und ihre Stimme hatte immer
noch einen traurigen Unterton, »freut mich, Mr Carter. Ich bin Rachel Wood.«
    Mr Carter. Das gefiel ihm. Ihre Hand war klein,
aber ihr Händedruck war fest wie der eines Mannes. Er fühlte ... Doch er fand
kein Wort dafür. Er achtete darauf, ob sie sich die Hand abwischte, aber das
versuchte sie gar nicht.
    »O mein Gott!« Verblüfft
riss sie die Augen auf. »Mein Mann kriegt einen Herzinfarkt. Sie dürfen ihm
nicht erzählen, was passiert ist. Das meine ich ernst. Sie dürfen es keinesfalls erzählen.« Carter schüttelte den Kopf. »Ich sag nichts.«
    »Ich meine, es ist ja nicht seine Schuld, dass
er ein so komplettes und totales Arschloch ist. Er wird es nur einfach nicht so
sehen wie wir. Sie müssen es mir versprechen, Mr Carter.«
    »Ich sag nichts.«
    »Gut.« Sie nickte munter und zufrieden und
schaute wieder nach vorn aus dem Fenster. Dann legte ihre glatte Stirn sich
nachdenklich in Falten. »Doughnuts. Ich weiß nicht, warum ich ausgerechnet hier
angehalten habe. Sie wollen wahrscheinlich keine Doughnuts, oder?«
    Das bloße Wort überflutete seinen Mund mit
Speichel, und sein Magen knurrte. »Doughnuts sind okay«, sagte er. »Der Kaffee
ist gut.«
    »Aber das ist kein richtiges Essen, oder?« Ihre
Stimme klang fest; sie hatte einen Entschluss gefasst. »Was Sie brauchen, ist
ein richtiges Essen.«
    In dem Moment begriff Carter, was das Gefühl
war: Er fühlte sich gesehen. Als
wäre er bisher ein Geist gewesen, ohne es zu wissen. Sie wollte ihn
offensichtlich mitnehmen. Sie wollte ihn mit nach Hause nehmen. Er hatte von
Leuten wie ihr gehört, aber er hatte es nie geglaubt.
    »Wissen Sie, Mr Carter, ich glaube, Gott hat Sie
heute aus einem bestimmten Grund unter die Hochstraße gestellt. Ich glaube, er
wollte mir etwas sagen.« Sie legte den Gang ein. »Sie und ich,

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