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Crossfire 1: Kontakt

Crossfire 1: Kontakt

Titel: Crossfire 1: Kontakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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ruiniert, aber im Fieber
dieses Augenblicks schien mir der Preis gerechtfertigt. Ich schuldete
es Donnie. Ich hatte ihn im Stich gelassen, und nun musste ich es
wieder gutmachen. Lucy, ich verließ das Haus, förmlich
gebadet in einem Heiligenschein ruchloser Tugend, in den
düsteren Strahlen meines eigenen inneren Lichts.«
    »Jake?«, rief Gail von der Unterkunft her.
»Lucy?«
    »Nur dass es dann doch ganz anders kam«, sprach Jake
weiter. »Große Konjunktionen dauern nur einen Augenblick,
musst du wissen, und dann ziehen die Planeten weiter. Donnie ging
geradewegs zu seinem Neptun-Dealer in der Stadt, nahm eine
Überdosis und starb am nächsten Tag.«
    Gails Stimme klang drängender. »Jake! Seid ihr da
draußen? Alles in Ordnung bei euch?«
    »Ich geriet nicht einmal in Verdacht. Die Polizei nahm an,
dass entweder Hobart oder Donnie das Geld vor der Schießerei
übertragen hätten. Bolivianische Konten sind… waren
absolut geheim und absolut sicher. Wären sie das nicht gewesen,
wäre womöglich die halbe Weltwirtschaft zusammengebrochen.
Es war, als wären diese zehn Milliarden Dollar vom Antlitz der
Erde verschwunden.«
    »Jake…«
    »Ich bin gleich fertig. Ich wartete volle fünf Jahre.
Dann benutzte ich eine Milliarde von den zehn, damit der beste
kriminelle Hacker der Welt einen reichen Onkel für mich
entstehen ließ, der mir die anderen neun in seinem Testament
vermachte. Als er fertig war, besaß mein Onkel Johann aus der
Schweiz eine lebenslange elektronische Datenspur, Freunde,
langjährige Geschäftspartner, alles. Ich gründete die
Mira Corporation und suchte nach Investoren, die ebenso begierig
waren wie ich, diesen verkommenen Planeten zu verlassen. Mein erster
Investor war William Shipley, der redliche Anführer einer Sekte
der Neuen Quäker, die irgendwo anders ein reineres und
idealistischeres Leben anfangen wollten.«
    »Jake!«, rief Gail, und jetzt lag echte Sorge in ihrer
Stimme.
    »Wir sind okay, Gail! Lass uns in Ruhe!«, rief Jake.
Aber anstatt eine verlegene Entschuldigung zurückzurufen, machte
sich Gail offenbar auf den Weg in ihre Richtung. Jake sah in der
Dunkelheit das sich nähernde Licht einer Taschenlampe auf- und
abhüpfen.
    »Den Rest weißt du, Lucy. Und jetzt weißt du
alles. Du bist ein sehr unschuldiger und idealistischer Mensch.
Kannst du jemanden lieben, der das getan hat, was ich getan
habe?«
    Er konnte ihr Gesicht nicht erkennen. Sie schwieg, und in ihrem
Schweigen erkannte Jake, weshalb er ihr alles erzählt hatte.
Nicht weil Beta seinen letzten Willen an Shipley gerichtet und dieser
die verfluchte Frechheit gehabt hatte, diesen an Jake abschieben zu
wollen. Nicht, damit jemand die Wahrheit über ihn erfuhr, bevor
er starb. Nicht einmal, um Lucys Gefühle für ihn auf die
Probe zu stellen. Nein, er hatte es ihr erzählt, um diese
Gefühle auszulöschen. Dann wirst du mich nicht mehr
lieben. Und er wäre frei von der Last, dieser Liebe gerecht
werden zu müssen.
    »Lucy?«, fragte er sanft, beinahe zärtlich. Sie
bewegte sich immer noch nicht und sagte kein Wort.
    Und dann war Gail bei ihnen, die ahnungslose, aufgeräumte,
aufdringliche Gail. Sie leuchtete ihnen mit der Taschenlampe in die
Gesichter und sagte: »He, ihr beide solltet nicht allein hier
draußen im Regen sein. Stimmt was nicht?«
    »Nein, Gail«, erwiderte Jake müde. »Es ist
alles in Ordnung. Mal abgesehen von der Tatsache, dass wir hier im
Regen festgehalten werden von ungeheuer mächtigen,
kriegslüsternen Außerirdischen, die zum Völkermord
entschlossen sind. Davon abgesehen ist alles genau so wie
immer.«

 
22. KAPITEL
     
     
    Als Shipley erwachte, war jeder einzelne Muskel in seinem Leib
steif. Dabei hatte er auf gepolsterten Boden und im einzigen wirklich
trockenen Unterschlupf geschlafen. Er brauchte eine Weile, bis er
herausgekrochen und aufgestanden war. Vor dem Zelt beugte er die Knie
und lockerte die Schultern, was nicht das Geringste brachte. Dann
griff er in seine Tasche. Es war immer noch da.
    Gail hatte ihm eine wasserdichte und versiegelte Plastikdose
gegeben, um Betas »Abschiedsknospe« darin aufzubewahren;
das war besser als die unzureichende Hülle aus
Greentrees-Pflanzen. Shipley wusste nicht, was zuvor in der Dose
gewesen war. Was auch immer, Gail hatte es gewiss anderswo sicher
untergebracht. Sie stand nun bei den Übrigen und organisierte
das Frühstück, das diesmal über dem tragbaren Kocher
zubereitet wurde, nicht über einem Feuer. Vielleicht gab es nach
dem Regen

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