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Crossfire 1: Kontakt

Crossfire 1: Kontakt

Titel: Crossfire 1: Kontakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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nicht mehr genug trockenes Holz. Der Himmel war immer noch
bewölkt.
    Jeder andere schien bereits auf den Beinen und beschäftigt zu
sein. Shipley hielt nach Naomi Ausschau, aber er entdeckte sie
nirgends. Er ging zu Beta.
    Das Wägelchen der kleinen Ranke stand hinter einer Biegung
der unsichtbaren Wand. Obwohl sie lange darüber spekuliert
hatten, wussten die Menschen immer noch nicht, warum die Pelzlinge
eine Ranke am Leben gelassen hatten, und sei es nur
vorübergehend. Vielleicht um sie später zu foltern? Shipley
erschauderte.
    Er wusste nicht einmal zu sagen, ob Beta wach war, wenn die Ranke
überhaupt solche Zustände wie Wachsein und Schlaf
unterschied. Beta hatte von »Träumen« gesprochen, aber
Shipley wusste nicht, ob sie träumte, während sie schlief
oder während sie meditierte oder während sie sich in
irgendeinen den Menschen unbekannten Bewusstseinszustand befand.
    »Hallo, William Shipley«, sagte der Übersetzer mit
seiner ausdruckslosen Stimme.
    »Guten Morgen, Beta.«
    »Sitz mit uns in Stille, William Shipley.«
    Shipley hatte den Klapphocker mitgebracht. Er drückte den
Knopf, und der Hocker entfaltete seine drei Beine. Dann ließ er
sich auf dem Stück Plastik nieder und senkte den Kopf. Sein
Magen knurrte, aber er achtete nicht darauf.
    Schweigen. Frieden.
    Er wusste nicht genau, wie lange er dort saß. Er fühlte
keine Veranlassung zu reden. Beta schon.
    »William Shipley, wir sterben heute.«
    »Wenn das Licht es so will«, erwiderte er, weil er
irgendetwas sagen musste.
    »Der Tod ist für uns eine traurige
Angelegenheit.«
    »Aber auch nicht mehr als das«, antwortete Shipley, und
diesmal sollten seine Worte nicht nur eine Pause füllen. Etwas
regte sich in ihm, tief empfunden und aufrichtig, und er schloss
dankbar die Augen.
    »Ja«, sagte Beta. »Die Abschiedsknospen werden
wachsen. Sie sind zweimal gewachsen. Sie können dreimal
wachsen.«
    »Das hast du mir gestern Abend erklärt, Beta.«
    »Du musst es Jake Holman erzählen.«
    Shipley öffnete die Augen. »Jake von eurer genetischen
Bibliothek erzählen? Warum?«
    »Die Pelzlinge werden dich vielleicht töten, William
Shipley. Sie werden vielleicht alle Menschen töten. Oder auch
nur einige Menschen. Ihr seid nicht so wie wir. Ihr seid wie unsere
Läufer. Ihr seid auch wie die Pelzlinge. Die Pelzlinge haben
einen Anführer, einen, der als Erster spricht. Ihr habt einen
Anführer, einen, der als Erster spricht. Wenn sie irgendeinen
Menschen verschonen, dann werden sie den Anführer verschonen.
Erzähle Jake Holman von den Abschiedsknospen. Erzähle Jake
Holman vom Planeten der Abschiedsknospen. Er wird uns unsere
Abschiedsknospe zurückbringen.«
    Das war die längste Rede, die Shipley je von einer Ranke
vernommen hatte. Mit wie vielen von den »chemischen
Signalen«, von denen George gesprochen hatte, war der
Übersetzer gefüttert worden, damit dies möglich war?
Shipley erkannte, dass Beta diese Rede die ganze Nacht über
vorbereitet haben musste. Wie lange konnte die Ranke innerhalb der
Kuppel durchhalten, ohne dass von außen… irgendetwas zugeführt wurde? George hatte die Vermutung
geäußert, dass das geschlossene Ökosystem in der
Kuppel für eine Weile selbstversorgend war, aber nicht
unbegrenzt lange. Andernfalls hätten die Ranken in ihrem Beiboot
nicht den vielen Schleim benötigt.
    »Ich werde es Jake Holman erzählen«, versprach
Shipley, und die innere Ruhe, der kostbare innere Frieden, war
verflogen. »Beta…«
    »Danke. Wir werden in gemeinschaftlichem Schweigen
beisammensitzen.«
    Es gab nichts mehr, was er sagen oder tun konnte.
    Sie saßen immer noch da, Shipley und die Ranke, als
Lärm aufkam, anwuchs und zu einem Licht am Himmel wurde.
    »Sie sind wieder da!«, rief Jake. »Kommt alle
zusammen!«
    Shipley regte sich nicht. Beta schwieg.
    Das Boot der Pelzlinge landete dort, wo einst das Dorf gestanden
hatte. Sofort fuhr die Rampe herab, und alle drei Pelzlinge kamen
heraus. Das Weibchen ging zu Beta, während die beiden anderen
auf die Menschen zugingen, die sich hinter Jake versammelt
hatten.
    Shipley erhob sich. »Nein, bitte. Hör mir erst
zu…«
    Die Pelzlingsfrau hörte nicht zu. Sie hatte keinen
Übersetzer; für sie waren seine Worte nur sinnloses
Gestammel. Er tat einen Schritt auf sie zu, aber das beachtete sie
ebenso wenig. Sie hielt etwas in der Hand.
    Hinter ihm fing Karim an zu pfeifen, langsam und lieblich, eines
der Lieder, die Beta am gestrigen Tag so gefallen hatten.
    »Lebe wohl, William

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