Crossfire 1: Kontakt
den Kopf in die Hände. Er bemerkte das
Tier nicht, bis es beinahe über ihm war.
Er hörte einen Laut, eine Mischung aus einem Knurren und
einem Krächzen, und blickte auf. Es kroch aus dem Fluss, eine
fremdartige Kreatur, braun und lang und glatt, mit gebogenen braunen
Zähnen. Und sie kroch auf ihn zu.
Shipley erstarrte. Einige Tiere auf der Erde griffen nicht an,
solange man sich nicht bewegte. Aber das war nicht die Erde, und das
Tier kroch weiter auf ihn zu.
Vielleicht gelang es ihm davonzulaufen. Aber nicht zurück den
Bergpfad hinauf; der war zu steil. Er würde flussabwärts
fliehen müssen, über den schmalen steinigen Streifen
zwischen Wasser und Abhang. Oder vielleicht wäre es besser,
langsam zurückzuweichen. Hatte er nicht mal gelesen, dass dies
die beste Möglichkeit sei, einem Bären zu entkommen? Als es
auf der Erde noch Bären gab.
Langsam wich Shipley zurück. Er konnte den eigenen Atem
hören, laut und angestrengt. Die Steine stachen in seine
bloßen Füße. Das Tier kroch schneller auf ihn
zu.
Er wirbelte herum und rannte los. Vier Schritte später
stolperte er und stürzte mit einem Aufschrei zwischen die
Steine. Das Tier packte seinen Unterarm, und Shipley spürte, wie
sich die Zähne ins Fleisch gruben. Er schlug um sich und
wälzte sich hin und her, um es abzuschütteln. Der Schmerz
war unerträglich.
»Verdammtes Scheißvieh!«, rief irgendwer, und dann
war plötzlich Naomi da. Sie schlug mit einem Stock auf das Tier
ein und versuchte, dessen Kiefer zu packen und sie von Shipleys Arm
zu lösen. Das Tier ließ nicht los, und die Schläge
des Stocks richteten gar nichts aus.
Schmerz verschleierte Shipleys Blick. Aber da war irgendetwas über ihm,etwas sprang vom Steilhang herab…
Franz Müller! Der Soldat sprang vom Berggrat. In der Luft
vollführte er eine dreiviertel Drehung, nicht ganz einen Salto,
und landete mit dem Rücken in einer dichten Ansammlung von
Büschen. Im nächsten Augenblick war er wieder auf den
Beinen, ergriff einen Stock und stieß damit nach dem Tier,
anstatt es zu schlagen. Es ließ Shipley los.
Shipley wollte sich zur Seite rollen, aber er schaffte es nicht.
Naomi zerrte an seinem unverletzten Arm. Sie war überraschend
kräftig, und er spürte, wie er fortgezogen wurde. Er
versuchte, sie zu unterstützen, indem er sich taumelnd auf die
Beine kämpfte. Sie zerrte ihn weiter, während er nach Franz
und dem Tier Ausschau hielt.
Franz stach immer noch nach der Kreatur, rasch und präzise.
Graziös wich er den zuschnappenden Kiefern aus. Shipley sah, wie
der letzte Stoß eine Öffnung im Kopf traf. Franz hatte die
Kreatur geblendet.
Still glitt das Geschöpf zurück ins Wasser.
Naomi keuchte. »Er ist verletzt. Nimm seine andere
Seite…«
»Nein!«, rief Müller auf Deutsch, und dann
auf Englisch: »Ich halte uns den Rücken frei, gegen andere
Tiere. Da kommt Karim. Geht den Pfad rauf. Wo ist Lucy?«
»Hier!« Shipley hörte ihre Stimme nur noch
gedämpft. Die Welt schien zu schwanken. Blut schoss aus der
Armwunde. Er musste eine Aderpresse anlegen. Krankheitserreger…
Viele Tiere hatten Krankheitserreger in ihrem Maul. Aber er konnte
nicht sprechen, konnte den anderen nichts davon sagen. Hände
zogen ihn den Bergpfad hinauf, er stolperte und taumelte, und er
konnte nicht sprechen. Und er konnte kaum noch etwas sehen.
»Da kommt noch ein Tier. Geht schneller!«, rief Franz.
Und dann sah oder hörte Shipley nichts mehr.
Als er erwachte, lag er auf dem Boden der Hütte. Gail, Jake
und Naomi saßen neben ihm. Einer von ihnen sagte: »Er ist
wieder da.«
»Dr. Shipley?« Gail beugte sich mit besorgtem Gesicht
über ihn. »Können Sie mich hören?«
»J-Ja.«
»Gut. Sie kommen wieder in Ordnung.« Er konnte sehen,
dass sie einen inneren Kampf ausfocht, und dann fügte sie hinzu:
»Glauben wir.«
»Aderpresse?« Seine Stimme war nur ein
Flüstern.
»Franz hat sie angelegt. Er kennt sich mit so was
aus.«
Also hatte Franz überlebt. Shipley sprach dankbar ein Gebet.
»Er ist ge-gesprungen.«
»Verdammt richtig«, bestätigte Naomi. Ihre Stimme
war voller Bewunderung. »Und dann hat er diese Viecher
vertrieben.«
»Lucy?«
»Der geht es gut«, erklärte Gail rasch.
»Niemand außer Ihnen wurde verletzt. Ich glaube, wenn wir
noch viel länger hier sein müssen, sollte Franz uns besser
ein Überlebenstraining verpassen.«
»Wenn wir noch länger hier sein müssen«,
merkte Jake an, »dann muss sich hier einiges
ändern.«
Shipley hörte den Zorn in
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