Crossfire 1: Kontakt
wir.«
»Oh, Entschuldigung«, sagte George hastig. Bis auf das
Lendentuch war er nackt, und wie er so im Schneidersitz dasaß,
mit dem kleinen Kugelbauch, der auf den Oberschenkeln ruhte, sah er
aus wie ein verlegener Buddha.
Die Ranke sagte: »Wir geben dir Schleim zum
Untersuchen.« Ein Stück des Schleims kroch auf die Decke
und trennte sich von dem Rest.
Gail wich zurück, und Franz tat es ihr gleich, wie ihr
auffiel. Seine Abneigung war anscheinend so groß wie die ihre.
Aber George legte die Hand auf den Boden, und der Schleim kroch
langsam auf seine Handfläche. Er hob sie vor die Augen.
»Unglaublich! Ingrid, schau dir das an! Es hat ganz kleine,
haarähnliche Füßchen – Mehrzweck,
würde ich vermuten, für Bewegung und zur chemischen
Wahrnehmung. Aber schau dir die Strukturen des Schleims an! Es ist
nicht wirklich ein Biofilm, es ist eher so etwas wie… wie ein
ungeheuer anpassungsfähiger Vielzeller.«
»Womöglich hat er sich gemeinsam mit den Ranken
entwickelt«, sagte Ingrid. »Glaubst du, er ist
vernunftbegabt?«
»Da die Pflanzenwesen ein Kollektiv darstellen, gilt das
vielleicht auch für diesen Schleim. Er ist vernunftbegabt in der
Hinsicht, dass er ein Teil von ihnen ist.«
»Nun, wenn…« Ingrid ging in die wissenschaftlichen
Detailfragen, und Gail hörte nicht länger zu.
Kurze Zeit später schäumte der Schleim – sie
nannten ihn weiterhin so, egal, was George festgestellt haben mochte
– beunruhigend auf. Etwas geschah. Die durchsichtigen Becher
füllten sich nicht mit Wasser, sondern mit einer dicklichen
grauen Substanz.
»Hier kommt Nahrung für euch«, sagte die Ranke.
»O nein, definitiv nicht«, befand Gail. Die graue Pampe
sah absolut Ekel erregend aus. Aber Gail knurrte immer noch der
Magen.
»Ranke, enthält diese Nahrung die Nährstoffe, die
wir brauchen?«, fragte George.
»Diese Nahrung enthält die Nährstoffe, die ihr
braucht.«
Ingrid wandte ein: »Es fehlen die Ballaststoffe. Ich
bezweifle, dass es den Hunger stillt.« Trotzdem griff sie nach
einem der Becher.
George nahm ebenfalls einen, und sein Helm floss in die passende
Form. Er leerte den Becher, und Gail erschauderte.
»Es ist gut«, stellte er fest. »Schmeckt nach
Hühnchen.«
»Hühnchen?«, sagte Jake.
»Das ist ein alter Scherz, Jake. Mach dir nichts draus.
Tatsächlich schmeckt es süß und kräftig. Wie
Limonade.«
Jake nahm seinen Becher. Er blickte entschlossen drein. Gail
kannte diesen Gesichtsausdruck: Jake glaubte, als gutes Beispiel
vorangehen zu müssen, obwohl er es eigendich nicht wollte. Aber
er hob den Becher an und trank ihn leer. Danach sah er
überrascht aus.
»Nicht schlecht, wenn man es nicht ansieht. Tatsächlich
ein bisschen wie Limonade.«
»Ich glaube, es enthält sogar Hormone, die den Hunger
dämpfen«, sagte Ingrid. »Ich fühle mich
gesättigt.«
Karim trank seine Portion und nickte zustimmend. Gail spürte,
wie ihr vor Hunger das Wasser im Mund zusammenlief. Sie griff nach
einem Becher, schloss die Augen und nahm einen kleinen Schluck. Jake
hatte Recht, es schmeckte nicht schlecht. Mit geschlossenen Augen
trank sie den Rest.
»Franz?«, fragte Jake.
»Nein!«, sagte er auf Deutsch, und dann auf
Englisch: »Nie!«
Gail senkte den Becher und musterte den Soldaten. Er war bleich
geworden, und sein kräftiger Körper, der in dem kurzen
Sarong gut zur Geltung kam, wirkte steif. »Die
Außerirdischen beeinflussen damit unsere Gedanken«,
behauptete Franz. »Ich trinke nicht.«
Freundlich wies ihn George darauf hin: »Wenn sie unsere
Gedanken beeinflussen wollten, Franz, dann können sie das mit
Substanzen in der Atemluft tun. Sie müssten uns dafür
nichts unter die Nahrung mischen.«
»Ich trinke nicht!« Franz stand auf und schritt den Weg
entlang zur Krankenhausdecke.
»Wir können andere Nahrung für ihn machen«,
schlug die Ranke vor.
»Diese Nahrung ist gut«, sagte Jake. »Bitte sei
nicht beleidigt, Ranke. Er ist… nervös. Dieser Ort ist sehr
fremd für uns.«
»Ja«, stimmte die Ranke undeutbar zu.
Gail erhob sich. »Ich sehe mal nach Dr. Shipley.« Und
nach Franz. Ein »nervöser« Erneuerter mit
möglicherweise ausbrechender Paranoia war ihrer Meinung nach
eine erhebliche Gefahr. Jake erkannte diese Gefahr offenbar nicht. Er
war wohl zu niedergedrückt von all den Lügen, die er
gezwungen gewesen war, zu erzählen. Doch warum schreckte ein
Unterhändler davor zurück, Lügen zu erzählen?
Diese Seite von Jake kannte sie gar nicht, und sie gefiel ihr
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