Crossfire 1: Kontakt
auch
nicht. Wie auch immer, wäre er nicht so sehr mit sich selbst
beschäftigt gewesen, hätte er vermudich auf Franz’
Ausbruch reagiert. Was würde Franz nun tun?
Nichts. Er saß ruhig auf der Krankenhausdecke und starrte
die Wand an. Dr. Shipleys Augen waren geöffnet.
»Er ist bei Bewusstsein«, erklärte Nan.
»Sie… haben ihm etwas verabreicht. Irgendein
Medikament.«
Gail hörte den tief sitzenden Abscheu aus Nans Stimme heraus,
gepaart mit Erleichterung über den Zustand ihres Vaters. Gail
setzte sich. Jetzt, in Shipleys Gegenwart, wurde sie sich erst
bewusst, dass sie beinahe nackt war – und Nan ebenfalls. Der
füllige Mann schwitzte stark. »Wie fühlen Sie
sich?«
»Besser. So gut wie lange nicht mehr, um ehrlich zu sein. Sie
haben mich sehr wirksam behandelt.«
Gail lächelte. »Nun, Sie können die Ranken fragen,
was sie Ihnen verabreicht haben. Aber ich fürchte, Sie
müssen sich mit George um die Sendezeit streiten.«
Shipley setzte sich auf. Er lächelte seiner Tochter zu, dann
blickte er in eine andere Richtung. »Naomi… gibt es hier
vielleicht irgendwelche Kleidung, die du anziehen
könntest?«
»Es geht ihm besser«, stellte Nan fest. In ihrer Stimme
schwangen so viele widerstreitende Gefühle mit, dass Gail fast
gelacht hätte. Sie tat es nicht, denn es hätte Nan
wütendgemacht. Stattdessen griff sie nach einem der beiden
vollen Becher neben der Decke.
»Dr. Shipley, Sie sollten das trinken. Es ist
›Nahrung‹. Die Ranken haben es für uns zubereitet. Es
schmeckt nicht übel, wenn man es nicht ansieht.«
»Du hast das getrunken?«, wollte Nan wissen.
»Widerstrebend. Aber jetzt fühle ich mich satt und
gestärkt.«
»Ich verhungere lieber!«, entgegnete Nan hitzig.
Shipley nahm den Becher von Gail entgegen, roch zuerst und nippte
dann daran. »Es schmeckt wie Limonade.«
»Das ist die allgemeine Meinung«, sagte Gail.
»Paps, trink es nicht!«
Shipley nahm einen weiteren Schluck, dann leerte er den Becher. Er
lächelte Nan entschuldigend an. »Wir müssen etwas zu
uns nehmen, Liebes.«
»Ich nicht.« Nan wandte sich von ihnen ab.
»Es könnte giftig sein«, warf Franz ein.
»Franz«, sagte Dr. Shipley, »vielleicht müssen
wir noch sehr lange hier bleiben. Irgendwann musst du etwas zu dir
nehmen, und das ist es, was es hier gibt.«
Der Soldat starrte ihn nur ausdruckslos an. Gail setzte an:
»Wenn wir…«, aber Nan fiel ihr ins Wort.
»Gail! Das QVV-Gerät ist an!«
Es lag am Rand des »Krankenhauses«, recht weit vom
Übersetzer der Ranken entfernt. Trotzdem bestand die Gefahr,
dass die näher gelegenen Ranken verstanden – wie auch immer
sie das hinkriegen möchten –, was die Menschen hier
untereinander besprachen, und dass sie das, was sie erfuhren, im
ganzen Treibhaus verbreiteten. Gail warf Shipley, Nan und Franz einen
warnenden Blick zu: Sagt nichts, was uns verraten könnte! Als sie an ihren Gesichtern erkannte, dass sie begriffen hatten,
nahm sie den QVV-Schirm von Nan entgegen.
Es war ein sonderbares Gefühl, den Schirm so zu halten. An
Bord des Schiffes und des Gleiters war er stets an seine
Energiequelle angeschlossen gewesen. Aber davon abgesehen wirkte das
QVV-Gerät unverändert. Ein leises Summen kündigte die
Nachricht an, und ein Licht blinkte rot.
Gail schob die Hülle zurück und hielt den Bildschirm
dicht an den Körper, damit die Ranken nicht mitlesen konnten.
Gail wusste nicht, ob das nötig war oder überhaupt etwas
brachte. Womit sollten die Ranken sehen? Irgendwie konnten sie
es vermutlich, denn sie »sahen« die Menschen.
Wärmestrahlung, möglicherweise.
QVV-Botschaften selbst strahlten keine Wärme ab, nur das
Gerät. Das Senden erfolgte durch Veränderungen im
Quantenzustand verschränkter Partikel. Die Informationen wurden
aufgefangen und gespeichert, nach den Maßstäben der
unglaublich flüchtigen Welt der Quanten sogar für eine
lange Zeit, die für die Umwandlung und Bearbeitung der Botschaft
erforderlich war. Erst dann erschien etwas auf dem Bildschirm. Die
Pelzlinge hatten dieses Gerät mit ihrer eigenen QVV
verschränkt, und anscheinend hatten sie auch sämtliche
Übersetzungsprobleme gelöst. Lateinische Buchstaben
erschienen in schimmerndem Grün und formten Sätze in
englischer Sprache:
SEID IHR AN BORD DES FEINDLICHEN SCHIFFES?
Gail drückte den Antwortknopf. Die Übertragung erfolgte
in einem alphabetischen Code. Sie tippte: JA.
Der Schirm erlosch.
Laut und so ruhig wie möglich sagte Gail: »Unsere
Familien zu
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