Crossfire 1: Kontakt
kniete dann
neben einer Frau nieder, die blutgetränkte Verbände um
ihren freigelegten Bauch trug. Ihre Augen waren geschlossen.
»Was habt ihr ihnen gegeben?«, fragte er die
Technikerin. Gail erwartete, dass sie nun von irgendeinem exotischen
Heilkraut hören würde, das über siebzig Lichtjahre
hinweg durch den leeren Raum von der Erde hierher gebracht worden
war.
»Assiterline«, erklärte die Technikerin, und
Shipley nickte. Anscheinend war er zufrieden.
»Der Bericht sprach von zehn Verwundeten«, sagte George
Fox. »Kann ich mit den anderen reden?«
»Ja. Sie haben nur leichte Verletzungen. Frag beim Tipi von
Blaues Wasser.«
»Wer ist Blaues Wasser?«, fragte George.
»Der frühere Larry Smith.«
Blaues Wasser. Gail vermied es, abfällig die Augen zu
verdrehen. Shipley hatte in respektvollem Tonfall davon gesprochen,
dass sie »andere Ziele« verfolgten. Was sah er in
diesem dämlichen Experiment, das ihr entging?
George war kaum in der Lage, seine Begeisterung zu zügeln.
»Womit haben sich die Menschen verteidigt?«, wollte er
wissen. »Kann man daran Haare oder Blut oder Gewebe der
Fremdlinge finden?«
Die Technikerin schaute den Biologen an. Sie war eine kleine,
pummelige Frau mit überraschend ausdruckstarken grünen
Augen. Ruhig sagte sie: »Noch besser. Wir haben einen toten
Außerirdischen. Draußen hinter dem Wagen.«
George war sofort verschwunden. Nan Frayne hatte sich in der
Zwischenzeit mit jemandem draußen unterhalten. Nun drängte
sie sich an Gail vorbei. »Jetzt haben Sie zwei tote
Außerirdische«, teilte sie der Technikerin mit. »Oder
zumindest den Kopf eines weiteren. Ich würde gern einen
Gehirnscan durchführen. Um zu sehen, ob irgendwelche Parasiten
oder Viren oder so was zu finden sind. Es ist wichtig.«
»Nein«, sagte die Technikerin, »ist es
nicht.«
»Erzählen Sie mir nicht…«
»Wir machen hier keine Gehirnscans. Dieses Laboratorium dient
nur dafür, in der Übergangszeit herauszufinden, welche
Pflanzen und Tiere wir ohne Gefahr essen können, und um unsere
Leute medizinisch zu behandeln, während wir uns an die
Verhältnisse auf Greentrees gewöhnen. Für Gehirnscans
fehlt uns die technische Ausstattung. Irgendwann werden wir den
Geländewagen zerstören – und auch die anderen beiden.
Wir brauchen nichts von den Vulkanmenschen.«
»Ihr seid verrückt«, stellte Nan fest. »Ihr
alle. Ihr verdient nichts anderes als Verachtung.«
Die Technikerin wandte ihnen den Rücken zu.
Gail fasste Nan am Arm und zog sie aus dem Geländewagen.
»Nan, hör auf, so zu reden. Sofort. Wir sind hier
Gäste, und dieser Subkontinent ist das Land der Cheyenne. Wir
werden uns höflich und respektvoll verhalten. Bei den Pelzlingen
kriegst du das hin, warum nicht bei deiner eigenen Art?«
»Wenn du die Antwort darauf nicht schon kennst, dürftest
du auch kaum in der Lage sein, meine Erklärung zu
verstehen.«
Gail lachte. »Glaubst du etwa, solch ein Geschwätz
beeindruckt mich? Oder es würde mich verletzen, so wie deinen
armen Vater? Noch jemand, den du nicht respektvoll behandelst, weil
du, Naomi Susan Frayne, seine Ansichten missbilligst. Was glaubst du
eigentlich, wer du bist? Der Maßstab des Universums? Sagt dir
das Wort ›Selbstgefälligkeit‹ etwas?«
»Ist das nicht das, was Lahiri dir immer vorgeworfen
hat?«, erwiderte Nan und schritt davon. Gail blieb zurück
und fühlte sich, als hätte sie gerade einen Schlag in den
Magen erhalten. Woher wusste das kleine Biest…? Zu welchen Daten
hatte sie sich Zugang verschafft, und woher…?
Gail hielt inne und versuchte sich zusammenzureißen. Das
dauerte länger, als ihr recht war. Dann schaltete sie die
Taschenlampe an und begab sich auf die Suche nach dem » Tipi
von Blaues Wasser«.
Es stand in der Mitte des Lagers, und zwei Tierhäute waren
davor zwischen Stangen aufgespannt. Diesmal betrachtete Gail die
Häute genauer. Eine war hellbraun und beinahe haarlos. Die
andere war sehr viel kleiner, grauviolett und ebenfalls ohne Fell.
Sie erinnerte sich daran, weshalb George bezweifelte, dass sich die
Pelzlinge auf Greentrees entwickelt hätten: Ihr dichtes Fell
wies auf eine sehr viel kältere Welt hin.
Wie lange würde es dauern, bis die Cheyenne die Häute
der Pelzlinge vor ihren Zelten aufspannten?
Es war nicht möglich, anzuklopfen oder zu klingeln. Also hob
sie einfach die Zeltklappe an und wartete, bis man sie bemerkte.
Larry Smith saß auf Kunstfaserteppichen in seinem Plastiktipi,
gemeinsam mit fünf weiteren
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