Crossfire 1: Kontakt
Kadaver
zurück, Miss Frayne.«
Sie gehorchte tatsächlich, ging zu dem Erwachsenen, der
gerade zu Abend aß, und starrte ihm ins Gesicht. Sie tat das
Gleiche bei dem zweiten Erwachsenen. Dann ging sie zu Jake.
Mit zittriger Stimme stellte Lucy fest: »Es kümmert sie
nicht, dass gerade eben eins ihrer Jungen getötet
wurde.«
»Nein«, sagte Nan wütend. »Denn es kann sie gar nicht kümmern. Aber sie sind nicht von Natur aus so.
Keine Spezies ist so – oder zumindest keine, die Hütten
bauen und Felder bestellen kann. Scheiße! Was,zum
Teufel, geht hier vor?«
»Sie sind krank«, meinte Lucy. »Sie alle. Meine
Untersuchungen zeigen, dass ihre Art ausstirbt. Gewiss haben sie eine
geistige Störung, die sie mit jeder Generation dümmer und
gleichgültiger werden lässt. Sie werden keine zwei
Generationen mehr überstehen.«
Nan starrte sie an. Langsam nickte sie. Erschrocken bemerkte Jake
den Kummer auf ihrem Gesicht, das für gewöhnlich nur einen
verdrießlichen Ausdruck zeigte. »Ja, ja, Lucy, du hast
Recht. Sie haben eine Krankheit, die wir nicht verstehen. Einen
Virus?«
Lucy hob die Hand und ließ sie dann hilflos wieder fallen.
»Woher sollen wir das wissen? Ihre Physiologie ist uns
vollkommen fremd.«
»Dann sorgen wir dafür, dass sich das
ändert!«
Nan ging wieder auf die beiden Kadaver zu. Halberg legte eine Hand
auf ihren Arm, um sie aufzuhalten. Sie schüttelte seine Hand
verächtlich ab. Dann zog sie eine kleine Laserpistole aus der
Tasche und schnitt den Kopf des Pelzlingskinds ab.
»He!«, rief Jake, und er meinte damit: Waffen sind
verboten, ausgenommen für das
Mira-City-Sicherheitspersonal.
Nan beachtete ihn nicht. Sie hob den kleinen, abgetrennten Kopf
auf und wickelte ihn in ihre Jacke. »Jake, wie bist du
hergekommen? Gleiter? Bring mich sofort zu den
Laboratorien.«
»Erteilen Sie mir keine Befehle, Miss Frayne«, sagte
Jake ruhig.
Sein Tonfall drang zu ihr durch, ganz wie er es beabsichtigt
hatte. Aber anstatt ihn mit einer abschätzigen Beleidigung zu
bedenken, sagte sie traurig: »Okay. Bring mich einfach hin.
Bitte. Wir brauchen Antworten, ehe die Pelzlinge vollständig
ausgestorben sind.«
Halberg war fein: »Die anderen…«
»… können hier bleiben – und Sie
ebenfalls«, sagte Jake. »Leutnant Wortz ist beim Gleiter.
Komm mit, Nan. Lucy?«
»Ich… komme ebenfalls mit.«
Der abgetrennte Kopf blutete durch Nans Jacke. Sie behielt ihn
trotzdem auf dem Schoß, als sie im Gleiter auf der zweiten
Sitzreihe hockte. Lucy nahm neben ihr Platz. Jake setzte sich nach
vorn. »Zurück zur Stadt, Leutnant Wortz.«
»Einen Augenblick, Mr Holman. Bitte hören Sie sich das
an. Es kam vor zwei Minuten. Computer, wiederhole die letzte
Nachricht.«
»Jake«, war Gails Stimme zu hören, »wo bist
du? Wir brauchen dich. Wir haben hier einen Zwischenfall.«
Ein Zwischenfall. Die unterschiedlichsten Katastrophen
kamen Jake in den Sinn: der Ausbruch einer Seuche, ein schrecklicher
Unfall auf einer der Baustellen, ein Gleiterabsturz, ein Amok
laufender Siedler, der…
»Es geht um Larry Smith. Er hat sich eben über Funk
gemeldet«, verkündete Gail. Das war das Letzte, womit Jake
gerechnet hatte. Der Cheyenne hatte ihnen sehr deutlich zu verstehen
gegeben, dass er alle Verbindungen zu Mira City abbrechen wollte.
»Der Stamm traf auf eine Gruppe Fremdwesen, die in einem Dorf
wohnen. Die Fremdwesen griffen sie sofort mit Speeren und Keulen an
und versuchten, so viele Menschen wie möglich umzubringen, ohne
jeden Grund. Die Cheyenne haben vier Tote und zehn Verletzte zu
beklagen.
Larry sagt, die Fremdwesen wären groß und mit
rotbraunem Fell bedeckt, und sie hätten große, scharfe
Zähne. Für mich klingt das nach den Pelzlingen.«
8. KAPITEL
Es war eine Sache, wenn ein Haufen primitiver Fremdwesen in weit
entfernt liegenden Dörfern lebte und jede Kontaktaufnahme
verweigerte. Etwas ganz anderes war es, wenn die Fremdwesen mit
Speeren und Keulen auf Menschen losgingen, selbst wenn diese Menschen
nicht unter die Gerichtsbarkeit der Mira Corporation fielen. Diese
zweite Sachlage erforderte eine persönliche Begutachtung.
Scherer wollte nicht, dass sie ging: »Mr Holman ist bereits
vor Ort. Es ist ein unvertretbares Sicherheitsrisiko, wenn sich beide
Anführer der Siedlung in Gefahr begeben.«
»Warum? Glauben Sie, Ihre Soldaten können uns nicht
schützen? Wenn Ihre Laserwaffen und das ganze andere Zeug nicht
mal ein paar Speere-Schleuderer abwehren können, dann haben
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