Crossfire 1: Kontakt
Blaues
Wasser. »Wenn wir uns in dieser Umgebung besser
auskennen.«
»Und jeder Stamm wird als umherziehende Jäger leben, ist
das richtig so?«
»Jeder Stamm wird im Einklang mit dem Land leben und dessen
Gaben nutzen, ohne das Land auszubeuten.«
»Ich wünschte, ich wüsste mehr darüber«,
sagte Jake. Blaues Wasser verschränkte die Arme vor der Brust.
»Doch wie auch immer, ich erinnere mich, dass der Häuptling
persönlich für den ganzen Stamm verantwortlich ist. Er muss
sich vor dem Geist des Landes für das Verhalten seiner Leute
rechtfertigen. Habe ich das richtig verstanden? Das muss eine
große Verantwortung sein, Blaues Wasser.«
»Das ist es. Können wir nun…«
»Eine starke Führung ist eine gute Sache. Vermutlich
könnten wir in Mira City auch mehr davon gebrauchen«,
stellte Jake bedauernd fest. »Wenn wir das hätten,
hätte sich dieser schreckliche Vorfall mit Nan Frayne vermutlich
nicht ereignet.«
Shipley stockte der Atem. Es fühlte sich an, als hätte
er einen schmerzhaften Pfropfen aus Luft in der Kehle, den er nicht
ausstoßen konnte. Blaues Wasser sagte nichts.
»Ich gebe mir selbst die Schuld«, fuhr Jake fort. »Ich hätte nicht erlauben sollen, dass sie auf eurem
Gebiet zurückbleibt. Das war ein Bruch des Vertrages, und ich
möchte mich dafür entschuldigen. Das meine ich ernst,
Blaues Wasser. Es war unsere Schuld, nicht eure.«
Shipley bemerkte, dass Blaues Wasser die Haltung seiner Arme
lockerte. Er legte eine Hand flach auf das Knie, undjake tat
dasselbe. Er sagte: »Ihr habt das Recht, mit Nan Frayne
gemäß eurem Stammesrecht zu verfahren. Daran gibt es gar
keinen Zweifel. Aber, Blaues Wasser, erlaube mir diese Frage: Wie
können wir dich dazu bewegen, sie stattdessen uns zu
übergeben? Wir können euch als Gegenleistung versprechen,
dass wir jedes Mitglied eurer künftig umherziehenden Stämme
an euch übergeben werden, wenn es ein Verbrechen auf dem Gebiet
der Mira Corporation begeht. Denn möglicherweise könnte das
in der Zukunft auch einem Cheyenne widerfahren, vielleicht sogar
unabsichtlich.«
»Das kann ich nicht tun«, entgegnete Blaues Wasser.
»Warum genau kannst du das nicht tun?« Jakes Tonfall
klang ehrlich interessiert.
»Wir haben einen Stammesrat. Die Entscheidung liegt nicht bei
mir.«
Jake wirkte verwirrt. »Ja, aber… du allein bist dem
Geist des Landes verantwortlich, nicht wahr? Dem lebenden Geist, der
alles in der Natur erfüllt…«
»Ja…«
»Nun, ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Dr. Shipley
hier ist ein Neuer Quäker. Seine Gemeinde wird ebenfalls durch
den Konsens der Gemeinschaft geführt. Aber so weit ich es
verstanden habe, ist jeder Quäker für sich genommen seinem
persönlichen Gewissen verantwortlich.«
Jake blickte Shipley fragend an, und dieser brachte ein
zustimmendes Nicken zustande.
»Und bei euch verhält es sich genauso«, fuhr Jake
fort. »Die Gemeinschaft entscheidet, aber natürlich
trägst du als Häuptling die Verantwortung. Starke
Führung.« Er lächelte anerkennend.
Blaues Wasser runzelte die Stirn.
»Ich wiederhole also meine Frage: Was wäre nötig,
damit ihr uns Nan Frayne übergeben könnt? Was müssen wir dafür tun? Was können wir tun, damit
unsere Beziehungen friedlich bleiben, während wir uns alle in
unserer neuen Umgebung einleben?«
Blaues Wasser schaute seine Stammesbrüder an. Irgendeine Art
von Kommunikation fand zwischen ihnen statt, die Shipley nicht genau
durchschaute. Blaues Wasser verkündete: »Wir haben unsere
Entscheidung bereits getroffen.«
»Das weiß ich, und ihr habt das Recht dazu«, sagte
Jake. »Aber andererseits, wenn in der Zukunft einige Cheyenne
auf das Gebiet der Mira Corporation geraten – beispielsweise
deine Kinder, die womöglich weniger Respekt vor den Grenzen
haben werden als die erste Generation… Wie viele Kinder hast du
eigentlich, Blaues Wasser?«
»Drei. Aber, Jake…«
»Weder ich noch Gail haben welche, leider. Wie auch immer, in
der Zukunft…«
Das Gespräch dauerte über eine Stunde. Jake war niemals
dreist und immer respektvoll. Er bewunderte das, was an der Kultur
der Cheyenne wirklich bewundernswert war, während Blaues Wasser
ihm allmählich immer mehr davon erzählte. Er ließ
keine Gelegenheit aus, Vergleiche zu den Neuen Quäkern
anzustellen: die Idealvorstellung von einem einfachen und
würdevollen Leben; die Natur als wunderbare Wohltat, als
gesegnete Gabe; das ständige Bewusstsein einer verborgenen
Herrlichkeit hinter jeder einfachen
Weitere Kostenlose Bücher