Crossfire 2: Feuerprobe
Erschöpfung.
»Das weiß ich«, sagte Alex und achtete darauf,
dass ihre Stimme ruhig klang. Der Erfolg dieser Anstrengung verlieh
ihr zusätzliche Sicherheit.
»Ich kenne mich hier in der Gegend ein wenig aus«, warf
Natalie Bernstein ein. »Meine Lerngruppe hat
regelmäßig in der Nähe gezeltet. Wenn wir uns nach
Norden wenden, stoßen wir auf einen großen Wasserlauf,
einen Nebenarm des Flusses, an dem Mira liegt. Die Gegend hier ist
ziemlich zerklüftet, mit Schluchten und Höhlen und
Überhängen. Wenn wir hinunter zum Wasser steigen und uns
unter einer weit genug überhängenden Böschung
verbergen, kann uns ein Wärmeabtaster nicht
aufspüren.«
»Und was ist mit dem Geländewagen?«, fragte
Lucy.
»Den müssen wir oben lassen«, sagte Natalie
widerstrebend. »Wir werden ihn mit Zweigen und Ästen
bedecken. Das ist vermutlich das Beste, was wir tun
können.«
»Fahren Sie nach Norden!«, befahl Alex.
Sie fanden den Nebenfluss, und der Rest war eine elende,
schmutzige Schinderei, mit der sie gerade eben noch vor Tagesanbruch
fertig wurden: Zunächst glitten sie im Licht schwacher
Elektrolampen das steile Flussufer hinab, wobei kleine Lawinen heller
Kiesel in den Wasserlauf niedergingen. Alex war dankbar für
ihren Threadmore; der feste Stoff schützte sie vor
Abschürfungen, wenn auch nicht vor blauen Flecken. Unten wateten
sie stolpernd am Rand der Stromschnellen entlang und mussten
höllisch aufpassen, nicht auszugleiten und dann vom Wasser
mitgerissen zu werden. Schließlich stießen sie auf einen
der Überhänge, von denen Natalie gesprochen hatte. Er war
nicht optimal – nicht so tief, wie Alex es gern gehabt
hätte, und auch nicht so trocken. Aber ihnen lief die Zeit
davon. Es würde reichen müssen.
Als Nächstes mussten sie die Ausrüstung und die
Vorräte herunterschaffen, den Geländewagen tarnen und so
weit wie möglich die Spuren ihres ungeschickten Abstiegs zum
Wasserlauf verwischen. Ben trug Jake, und beide waren sie bleich vor
Furcht und Schmerz. Als endlich alles erledigt war, tat Alex jeder
Teil ihres Körpers weh. Sie war so erschöpft, dass sie kaum
noch die Kraft aufbrachte, eine Decke für Jake auszubreiten, am
trockensten Platz, den sie unter dem Überhang finden konnte. Der
alte Mann blickte kläglich aus feuchten Augen zu ihr auf.
»Ich bin so verdammt nutzlos.«
»Nein, das bist du nicht«, erwiderte sie, ihr eigener
Blick vor Erschöpfung vernebelt. »Du bist unser
Stratege.«
Er schnaubte und war im nächsten Augenblick
eingeschlafen.
Sie breitete die ihr zugeteilte Decke an seiner Seite aus, aber
Lucy Lasky tauchte auf und hockte sich in der Düsternis neben
sie.
»Miss Cutler, ich brauche eine Funkverbindung zu
Karim.«
»Eine Funkverbindung! Du meine Güte, Miss Lasky, Sie
wissen doch, dass das nicht geht! Commander Martin wird jeden
einzelnen Piepser auf Funkwelle auffangen!«
»Ich weiß. Aber hören Sie mir zu: Karim und Jon
McBain sind immer noch bei der Biomasse, von der ich Ihnen und Jake
erzählt habe. Kueilan und Kent – das sind zwei von Jon
McBains Leuten – waren unterwegs, um einen Computer zu holen und
ihn zur Forschungsstation zu bringen, damit Karim zu der Substanz
Kontakt herstellen kann. Und ich weiß genau, was Karim tun
wird, wenn er das schafft: Er wird geradenwegs zu Julian Martin gehen
und ihm davon erzählen. Das darf nicht geschehen! Wir
müssen Karim warnen!«
Alex spähte zu Lucy hinüber. Sie sah nur einen
verschwommenen Schatten. Alex brachte kaum noch die Kraft für
eine Antwort auf, und sie hatte auch keine Kraft mehr für
Feingefühl übrig.
»Lucy, das ist alles verrückt. Sie wissen noch nicht
einmal, was Jons Biomasse ist! Wir können keine
Verbindung mit Karim aufnehmen. Jon McBains Leute werden niemals mit
einem Computer durch die Todeszone gelangen. Wie auch? Womit? Niemand
würde in Zeiten wie diesen den Assistenten eines Biologen einen
Geländewagen leihen, die auch alle von Julian Martins Armee
requiriert wurden, oder einen Computer. Denken Sie doch nach: Mr
Mahjoub kann Martin ohnehin nicht erreichen – Commander Martins
Bunker liegt Hunderte von Kilometern von den Avery Mountains
entfernt. Selbst wenn Mahjoub und McBain immer noch leben, was ich
bezweifle…« Sie unterbrach sich und wurde sich bewusst, wie
harsch ihre Worte klangen.
»Sie leben noch«, sagte Lucy störrisch. »Das
weiß ich.«
»Woher?«
»Ich wüsste es, wenn Karim tot wäre. Ich
wüsste es einfach.«
Alex hörte die romantische Inbrunst in Lucys
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