Crossfire 2: Feuerprobe
Stimme, eine
schwärmerische Verrücktheit, und sie verlor auch noch den
Rest ihrer Geduld.
»Vergessen Sie es, Lucy. Wir können uns weder sinnlose
Diskussionen leisten noch Ihre liebeskranke Tollkühnheit. Gehen
Sie schlafen.«
Ihr kleiner schattenhafter Umriss verschwand sofort. Alex’
letzter klarer Gedanke beim Einschlafen war: Ich frage mich, ob
sie schon immer so labil war. Jake wird es wissen…
Stunden später, als sie durch die grelle Nachmittagssonne und
das Rauschen des Flusses erwachte, wünschte sich Alex, sie
hätte ihn gefragt. Natalie, Ben und Jake schliefen noch. Lucy
Lasky war verschwunden.
»Der Geländewagen ist noch da!«, verkündete
Ben Stoller, während er das steile, rutschige Ufer
herunterstieg, begleitet von einer kleinen Steinlawine. Für Alex
wirkte Ben verblüffend schwungvoll und ausgeruht. Jugend.
»Also ist sie zu Fuß gegangen«, meinte Natalie
Bernstein. »Wohin? Was hat sie vor?«
Karim Mahjoub warnen, dachte Alex, sprach es aber nicht
laut aus. Doch nicht einmal die unbesonnene Lucy Lasky konnte
annehmen, dass sie Hunderte von Kilometern durch die kahle Todeszone
wandern konnte, ohne entdeckt zu werden. Ebenso wenig konnte sie
darauf hoffen, Karim Mahjoub zu erreichen, bevor er mit Julian
Kontakt aufnahm. Wenn Mahjoub überhaupt noch lebte. Wohin war
Lucy also gegangen? Was hatte sie vor?
»Oh…«, entfuhr es Natalie plötzlich. Sie kroch
in den hintersten Winkel ihrer erbärmlichen Zuflucht und
wühlte in der Ausrüstung herum. Das weckte Jake, der
gereizt rief: »Alex? Alex?«
Alex ging zu ihm. »Einen Augenblick, Jake. Wir haben ein
Problem. – Natalie?«
»Sie hat die Signalrakete mitgenommen«, sagte Natalie.
»Sie ist weg.«
Das war es also. Die Signalrakete war mit einem Sender
ausgestattet. Sie flog hoch in den Himmel und übertrug ein
Notsignal zum nächstgelegenen Nachrichtensatelliten, der
wiederum das Signal zum angegebenen Ziel weiterleitete. Wenn der
Benutzer weder eine Botschaft aufnehmen noch Zielkoordinaten angeben
konnte, dann schickte die Signalrakete automatisch ein SOS in
höchster Priorität an das Mausoleum. Nur gab es das
Mausoleum nicht mehr.
»Wer hat eine Signalrakete genommen?«, wollte Jake
wissen. Seine Stimme klang rau am frühen Morgen. »Wer?
Wer?«
»Lucy Lasky«, erklärte Alex, damit er endlich Ruhe
gab. »Natalie, woher weiß sie überhaupt, was eine
Signalrakete ist und wie man sie benutzt? Zu ihrer Zeit gab es die
noch gar nicht auf Greentrees! Die Chu Corporation hat sie erst vor
zwei Jahren auf den Markt gebracht!«
Chu Corporation – die es ebenfalls nicht mehr gab.
»Ich habe es ihr gezeigt«, gestand Natalie
schuldbewusst. »Es tut mir Leid. Wir sind die ganze
Ausrüstung durchgegangen.«
»Lucy?«, krächzte Jake. »Was hat Lucy getan?
Alex? Alex?«
Alex erklärte es ihm. Zu ihrer Überraschung hielt Jake
Lucys Gedankengänge keineswegs für verrückt.
»Eine biologische Substanz, die zu den Ranken
gehört«, wiederholte er nachdenklich. »Wenn das
stimmt… und wenn Lucy und Karim sie auf dem Planeten der Ranken
gesehen haben…«
Der Ausdruck in Alex’ Gesicht fiel ihm auf.
»Alex, du warst nicht dabei. Du hast nie Ranke Beta gesehen
oder das Innere eines Rankenschiffes. Du hast nie erlebt, wie anders
sie sind, wie vollkommen fremdartig… Und Karim ist wirklich
klug. Wenn er es schafft…«
»Was schafft?«, fragte sie beißend. »Einen
Haufen Bakterien, die kilometertief in der Erde vergraben sind, dazu
zu bringen, ein Raumschiff anzugreifen? Jake, nur weil es Lucy Lasky
ist…«
»Hören Sie!«, rief Ben Stoller plötzlich.
»Mein Gott, hören Sie!«
Begleitet vom Rauschen des Flusses sickerte Julian Martins Stimme
unter den Überhang.
Sie kam von dem Funkgerät, das auf Empfang gestellt auf einem
Felsen im Freien stand. Natalie hatte es dort platziert, vor dem
Wasser geschützt. Julian Martin machte eine Durchsage auf allen
Kanälen.
»… traurige Verlust, der diejenigen von uns, die
überlebt haben, nur noch härter kämpfen lässt.
Alex Cutler verkörperte all das, was das Beste an Greentrees
ist: Mut, Großzügigkeit und – was das Wichtigste war
und ist – die Liebe zu diesem wundervollen Planeten. Sie wissen,
dass ich nicht hier geboren wurde. Aber ich teile Alex’ Liebe
für Greentrees, ich teile ihre Hingabe für das
Überleben dieser Welt, und ich teile die Überzeugung, die
tief in ihrem Herzen verankert war: dass die Menschheit auf diesem
Planeten überleben wird!
Keine Pelzlinge
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