Crossfire 2: Feuerprobe
freilassen.«
»Vielleicht können sie das«, wandte Jon ein,
»aber ich zweifle daran. Vermutlich verfügt Martin
über hoch entwickelte Wärmesensoren. Ich kann mir nicht
vorstellen, dass irgendein Mensch viel näher als meinetwegen
zehn Kilometer herankäme, und das ist nicht annähernd nahe
genug, um sich auf die Wirkung von im Wind verstreuten Sporen zu
verlassen. Wie auch immer, wenn die Feuerprobe den ganzen Berg
hochgehen lässt, dann wird es auch uns erwischen.«
… kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Mensch viel
näher als meinetwegen zehn Kilometer
herankäme…
… irgendein Mensch…
Alex hatte Übelkeit empfunden, als sie Julians Plan
durchschaut hatte. Aber das war nichts gegen das, was sie jetzt
empfand. Sie schaute die Pelzlingsgroßmutter an.
Nein. Das konnte sie nicht tun.
Aber ihr blieb keine andere Wahl!
Und sie konnte auch der Pelzlingsgroßmutter keine Wahl
lassen. Wenn sie das tat, würde sich das alte Pelzlingsweibchen
womöglich weigern. Und dann würden sie alle sterben,
getötet vom machtbesessenen Julian Martin oder von den
raumfahrenden Pelzlingen, die einen gesäuberten Siedlungsgrund
haben wollten.
Die Pelzlingsgroßmutter musterte Alex mit undeutbarem
Gesichtsausdruck. Alex machte sich mit Gesten verständlich. Die
Außerirdische folgte ihr und sah sich um, vermutlich nach ihren
Töchtern und ihrer Enkelin.
Flora. Dora. Cora. Miranda.
O schöne neue Welt, die solche Bewohner hat!
»Gib mir den Sack mit den Sporen«, sagte sie zu Karim
und kämpfte dabei gegen die Übelkeit an, die ihr die Kehle
emporstieg. Sie hasste sich selbst für das, was sie tat.
44. KAPITEL
IN DEN AVERY MOUNTAINS
Weiße Wolke erklärte sich widerstrebend bereit, das
alte Pelzlingsweibchen zu führen. Das Raumboot der Pelzlinge, so
erklärte er Karim, hatte seinen Start- und Landeplatz mehrere
Kilometer oberhalb von Jon McBains Forschungsstation. Die Cheyenne
hatten es entdeckt, zwei Tage, nachdem es dort zum ersten Mal
niedergegangen war. Hin und wieder startete es und flog zum
südlichen Subkontinent, um wilde Pelzlinge zu jagen, aber es
kehrte stets zu seinem ursprünglichen Landeplatz in den Avery
Mountains zurück. Aus irgendeinem Grund sahen die Pelzlinge die
Berge als optimale Operationsbasis an, statt ihr Mutterschiff
über Greentrees anzufliegen und dort ihre Gefangenen
abzuliefern. Von Alex Cutler wusste Karim, dass es in den Avery
Mountains weit verzweigte Höhlensysteme gab. Vielleicht hielten
die Außerirdischen in einer der größeren Höhlen
die wilden Pelzlinge gefangen und hatten dort so etwas wie ein
genetisches Labor eingerichtet. Immerhin verfügte das
Mutterschiff über Greentrees nur über eine begrenzte
Aufnahmekapazität. Vielleicht hatten die Außerirdischen in
den Avery Mountains auch schon eine Art Militärbasis
errichtet.
Doch das alles war Spekulation. Die Denkweise der raumfahrenden
Pelzlinge war Karim einfach zu fremd…
Er beobachtete Alex und das Pelzlingsweibchen. Die beiden
saßen auf einer kleinen Lichtung. Die Strahlen der tief
stehenden Nachmittagssonne fielen schräg zwischen den Zweigen
der violetten Bäume ein. Schon trug eine leichte Abendbrise den
charakteristischen nächtlichen Duft von Greentrees heran, nach
dem Karim sich auf der unerträglichen Welt der Ranken so sehr
gesehnt hatte. Winzige weiße Blüten öffneten sich
für die Nacht.
Alex beugte sich über einen Metallgegenstand, den zweiten,
den sie benutzte, um der Pelzlingsgroßmutter die Wirkungsweise
der Sporen zu erklären.
Karim sehnte sich nach einem Computer. Wenn er die
wahrscheinlichen Umlaufbahnen der Feuerprobe und des
Pelzlingsschiffes hätte berechnen können, die Reichweite
der Waffen… Aber so, wie die Dinge standen, konnte er nur
vermuten, dass Martin für seinen Angriff die Dunkelheit abwarten
würde. Das ließ sich kaum als wissenschaftlich fundierte
Prognose bezeichnen.
Aber daran sollte er sich besser gewöhnen.
Alex erhob sich und kam auf ihn zu. Als er ihr Gesicht sah, wandte
Karim den Blick ab. Er hatte schon bei Jake den Ausdruck moralischer
Zerrissenheit gesehen, bei Dr.. Shipley, bei Lucy. Aber keiner von
ihnen hatte so furchtbar ausgesehen wie Alex in diesem
Augenblick.
»Sie ist so weit.«
»Ich gebe Weiße Wolke Bescheid. Alex, bist du sicher,
dass diese Außerirdische…«
Aber Alex wandte ihm bereits den Rücken zu und ging
davon.
Weiße Wolke winkte die Pelzlingsgroßmutter zu sich.
Karim sah ihnen hinterher, bis sie beide zwischen den
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