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Crossfire 2: Feuerprobe

Crossfire 2: Feuerprobe

Titel: Crossfire 2: Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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aber
sie schüttelte den Kopf und sagte nur: »Nein, tut mir
Leid.«
    »Danke.« Siddalee ging weiter und kaute erneut auf der
Unterlippe herum. Star hatte nicht betrunken gewirkt, zumindest hatte
sie nicht schleppend gesprochen. Star war klug und einfallsreich, wie
Siddalee vom Stausee-Projekt wusste. Genauso schlau wie Siddalee
selbst – also sehr schlau. Warum putzte sie sich aber dann
heraus wie eine Partyschlampe und verhielt sich auch so? Warum trat
sie nicht als die verantwortungsbewusste Bürgerin von Mira City
auf, die sie in Wirklichkeit war?
    »Du bist zu puritanisch«, hatte Alex Cutler mehr
als einmal zu Siddalee gesagt. »Sie ist nur zehn Jahre
jünger als du, nicht wahr? Ihr seid fast im gleichen
Alter.«
    Aber Siddalee hatte nicht das Gefühl, dass sie im gleichen
Alter war wie Star oder wie Salah. Sie wusste auch nicht, was
»puritanisch« bedeutete, und sie hatte nicht vor, es in den
Datenbanken nachzuschlagen. Historisches Zeug, wahrscheinlich.
Nutzloses Zeug. Alex kannte das Wort auch nur, weil sie es mal von Mr
Holman gehört hatte.
    Wo war Alex?
    Siddalee kämpfte sich zu einer ruhigeren Stelle dicht beim
Mausoleum durch. Hier saßen Neue Quäker gesittet an ihren
Tischen, unterhielten sich leise und versuchten, die trunkene
Fröhlichkeit hinter ihnen zu ignorieren. Etwas abseits hockte
eine Gruppe verschleierter Frauen. Siddalee wusste, dass sich unter
den Schleiern in der Mehrheit freundliche, aber faltige Gesichter
verbargen; die neue Generation von Araberinnen trug keinen Schleier.
Einige hatten sich sogar einer Genbehandlung unterzogen, die ihnen im
Gegensatz zu ihren Müttern und Großmüttern
später auch die Falten ersparte. Siddalee billigte das. Sie
hatte die strenge Trennung der Geschlechter bei den Arabern nie
verstanden. Es war nur gut, dass diese Gepflogenheiten auf Greentrees
so rasch verloren gingen. Das war wenigstens ein Vorzug ihrer
Generation.
    Sie erreichte die steile Rampe, die zur Rednertribüne
führte, und stieg sie hinauf. Niemand hielt sie auf. Oben
diskutierte Bürgermeister Ashraf Shanti aufgeregt mit einem
Techniker, der sich an den Mikrofonen zu schaffen machte. Dahinter
stand die sonderbarste Gruppe, die Siddalee je untergekommen war.
    Den Vertreter der Neuen Quäker hatte sie natürlich
erwartet. Auch er hatte eine kurze Rede zum Gedenken an die Ankunft
auf Greentrees vorbereitet, und nun stand er – natürlich
nüchtern – in seinem grauen Overall herum und wartete, bis
er an der Reihe war. Siddalee hatte ebenfalls mit dem chinesischen
Anführer aus Hope of Heaven gerechnet, aus der Stadt der
Abtrünnigen, obwohl Bürgermeister Shanti sicher erst
gestern erfahren hatte, dass diese Störenfriede an der Zeremonie
teilnehmen würden. (Und Störenfriede waren sie alle in Hope
of Heaven, da brauchte man gar nicht erst zu versuchen, Siddalee
etwas anderes zu erzählen!) Nicht einmal die Anwesenheit des
Cheyenne-Häuptlings konnte Siddalee überraschen – er
stand ein wenig abseits, eine exotische Erscheinung in irgendwelchen
Tierhäuten, die mit Federn und Perlen geschmückt waren, und
mit einer Tätowierung auf der sonnengebräunten Wange.
Wusste er denn nicht, wie sehr so viel Sonne schadete? Kannten die
Cheyenne überhaupt genetische Aufwertung zum Schutz der
Haut?
    Aber die eigenartigste Gestalt von allen war die Frau, die ganz
hinten auf der Tribüne kauerte, neben Jake Holmans Rollstuhl.
Siddalee schaute hin, schaute erneut hin und dachte: Das kann
nicht sein!
    Alex hatte ihr von Nan Frayne erzählt, Geschichten, die Alex
von Mr Holman und von ihrer toten Tante Gail Cutler gehört
hatte. Siddalee glaubte von diesen Geschichten höchstens die
Hälfte. Manchmal hatte sie sogar bezweifelt, dass es Nan Frayne
überhaupt gab. Konnte diese Person tatsächlich…
    »Siddalee!«, rief Mr Holman mit schwacher Greisenstimme.
»Komm her. Ich möchte dich jemandem vorstellen. Das ist Nan
Frayne.«
    Siddalee trat vorsichtig näher. Nan Frayne erhob sich nicht
und gab ihr auch nicht die Hand, sondern musterte sie nur grimmig.
Siddalee war empört – was hatte sie getan, um eine solche
Abneigung zu erfahren? Nichts!
    Nan Frayne war alt, vielleicht sechzig, aber sie sah noch
älter aus, weil die Haut so runzlig, sonnenverbrannt und fleckig
war. Im Vergleich mit dieser Haut wirkten die blassgrauen Augen
überraschend hell. Ihr Haar war grau und sehr kurz geschnitten,
und am drahtigen Leib trug sie einen sauberen neuen Overall, der zu
groß für sie war.
    »Hallo«, grüßte

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