Crossfire 2: Feuerprobe
könnten«, hatte er gesagt. Seine schleppende
Sprache und das hilflose Sabbern unterstrichen noch seine
Traurigkeit. »Deine Tante Gail hat das auch nicht geglaubt. Aber
wir hatten gehofft, in einer neuen Umgebung, mit genug Ressourcen, um
über die Runden zu kommen, ohne Hunger und wirkliche Armut…
wir hatten gehofft…« Die Tränen, die bei alten Leuten
stets so nahe waren, füllten seine Augen. Dieser Anblick war so
untypisch für Jake, dass Alex fast froh gewesen war, zu der
Versammlung gehen zu können, und sie war auch froh, dass Jake
jetzt schlief. Er hatte den ganzen Abend damit zugebracht, Julian
Martins Pläne für verstärkte
Sicherheitsmaßnahmen zu loben. Der Commander hatte sie
anscheinend bis zur Erschöpfung mit ihm durchgesprochen.
Alex stellte die halb leere Tasse ab und starrte auf das
Fenster.
Julian.
Warum hatte er bei der Versammlung seine terranische Uniform
getragen? Hatte er gewusst, dass man ihm die Sicherheit von Mira City
antragen würde?
Ja, wahrscheinlich. Aber er hatte höflich gewartet, bis man
ihn fragte, und solange unbeachtet im hintersten Winkel des Saales
gestanden.
Oder hatte er das nur getan, damit sein Auftritt, wenn er gerufen
wurde, umso dramatischer wirkte?
Sie verwechselte Julian mit Duncan, der zurzeit sehr mit den
Vorbereitungen zu einem Stück beschäftigt war, das sich
»Macbeth« nannte.
Julian Martin in seiner schwarzen und goldenen Uniform…
Alex legte die Stirn gegen das kühle Plastikfenster.
Unvermittelt dachte sie an Karim Mahjoub und Lucy Lasky, denen sie
niemals begegnet war und die vor beinahe vierzig Jahren Greentrees
verlassen hatten, auf einer Mission, die die Gefahr durch die
Pelzlinge bannen sollte, indem man sie vergiftete. Eine Mission, die
vielleicht alle Kriegsvorbereitungen Julian Martins
überflüssig machte. Vielleicht aber auch nicht.
Allerdings sah es nun so aus, als hätten die Einwohner von
Greentrees schon untereinander Krieg angefangen.
Schroff warf Alex sich den Kapuzenmantel über und trat hinaus
in den Regen. Sie ging so schnell, dass das Wasser vom weichen
Kunststoff des Mantels davonstob.
Eine Stimme rief: »Halt!«
»Was? Wer ist da?«
Eine Gestalt löste sich aus der regenerfüllten
Finsternis. »Sicherheit. Nennen Sie Ihren Namen und den Grund
Ihrer Anwesenheit… Oh, du bist es, Alex. Okay.«
Alex trat näher und erkannte eine ihrer jungen Cousinen aus
dem großen, weit verzweigten Cutler-Clan – Eileen
Langholtz. Alex hatte sie nie gemocht. Eileen war
selbstgefällig, und Alex hatte oft gesehen, wie sie früher
als Kind andere Kinder herumschubste.
»Demnächst, Alex, wirst du mir deinen Ausweis zeigen
müssen.«
»Meinen was?«
»Eine Karte mit persönlichen Daten, die bald ausgegeben
wird«, erklärte Eileen mit der Überheblichkeit des
besser Informierten. »Jeder wird sie bei sich tragen
müssen, und der Sicherheitsdienst wird sie überprüfen,
um sicherzustellen, dass man sie auch bei sich hat.«
»Wieso?«
»Wieso?« Diese Frage schien Eileen zu überraschen.
Sie zwinkerte sich die Regentropfen aus den Augen. »Nun,
weil… weil Commander Martin es so will.«
»Ah«, erwiderte Alex. »Gute Nacht,
Eileen.«
»Warte – wohin gehst du?«
Alex wandte sich langsam wieder um. Sie musterte Eileen
eindringlich, von der Kapuze bis zu den Stiefeln. An der rechten
Hüfte war eine leichte Ausbeulung zu erkennen. Ohne Antwort ging
Alex davon. Was auch immer Eileen ihr nachrief, wurde verschluckt von
Wind und Regen.
Alex klopfte an Julian Martins Tür, die verschlossen war. Er
öffnete und trat wortlos beiseite.
Sie hatte seine Wohnung bisher erst einmal betreten, und damals
war sie voll gewesen von Duncans Sachen: große, unordentliche
Haufen fantastischer Kostüme, verblüffend in ihren Farben,
Stoffen und in ihrer Altertümlichkeit. Jetzt wirkte der kleine
Raum beinahe steril. Die Tür zum Schlafzimmer war geschlossen,
und auf dem Tisch stand nur ein tragbarer Computer, den man wohl
zusammenklappen konnte und wie Alex ihn noch nie gesehen hatte.
»Warum sollen die Bürger von Greentrees Ausweise mit
sich führen und müssen sich von der Sicherheit befragen
lassen?«
Er wirkte nicht überrascht von ihrem unterschwelligem Zorn.
»Weil ich wissen muss, wer aus legitimen Gründen unterwegs
ist. Nur dann kann ich herausfinden, bei wem das nicht der Fall
ist.«
»Wir sind an diese… diese…«
»Der Ausdruck, nach dem Sie suchen, heißt
›Einschränkung der Bürgerrechte‹. Und ihr seid
daran ebenso wenig
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