Crossfire 2: Feuerprobe
verbrannte Tialin-Blätter.
Alex sprang auf. »Siddalee! Alles in Ordnung mit dir?
Brauchst du…«
»Lau-Wah Mah ist tot.«
Etwas bohrte sich durch Alex’ Leib. »Nein, das kann
nicht sein!«, widersprach sie törichterweise. »Ich
müsste es wissen. Guy Davenport hätte…«
»Guy ist draußen, am Sprechgerät.
Dringlichkeitsmeldung. Er kommt gleich rein. Lau-Wah… sie haben
ihm etwas angetan… Er wurde gefoltert. Ich… er…«
Siddalee brach in Tränen aus.
Alex wollte sie zu einem Stuhl führen, aber Siddalee befreite
sich aus ihrem Griff und verließ das Zimmer. Sie schluchzte und
schämte sich zugleich ihrer Tränen. An ihrer Stelle tauchte
Miras Sicherheitschef auf, das Sprechgerät immer noch in der
Hand.
Nein! Es kann nicht sein! Nein!
»Alex«, sagte Guy, und sie wusste, dass es stimmte.
Eine eigenartige Ruhe erfasste sie. Etwas in ihr hatte auf
Autopilot geschaltet. »Was ist passiert, Guy?«
»Ein paar Jugendliche haben den Leichnam an den
Monddorn-Klippen gefunden. Vor etwa einer Stunde.«
Alex nickte. Diese Felsen lagen einige Kilometer
flussaufwärts von Mira. Sie waren bei Wanderungen und Picknicks
ein beliebtes Ziel. Die Arbeitsgruppe für Umweltanpassung hatte
dort schon vor langer Zeit sämtliche gefährlichen
einheimischen Pflanzen wie Roten Kriecher beseitigt und unterirdische
Ultraschallgeneratoren angebracht, um größere Raubtiere
abzuschrecken. Man hatte sogar ein paar robuste, genetisch angepasste
irdische Obstbäume gepflanzt. Eine Leiche konnte dort nicht
lange unentdeckt bleiben.
Guy fuhr fort: »Gestern hat es heftig geregnet. Er muss
während des Unwetters dort abgeladen worden sein, vermutlich
mitten in der Nacht. Jemand wollte, dass er gefunden wird und dass
der Regen sämtliche Spuren davonspült. Alex, er wurde
grausam misshandelt.«
»Wie? Nein, sag es mir nicht. Später. Bald.« Sie
redete wirres Zeug. »Was gibt es sonst noch?«
»Neben ihm lag einer dieser verbogenen Eisenstäbe, in
der Form eines chinesischen Schriftzeichens. Es bedeutet
›Hoffnung‹.«
»Das ist zu einfach!«, wandte sie sofort ein. »Wenn
Hope of Heaven dahintersteckt…«
»Wer sonst?«, fragte Guy. Sein gewöhnlicherweise so
freundliches Gesicht war in plötzlichem Zorn verzerrt.
»Ich weiß es nicht. Lass mich nachdenken.« Sie
konnte nicht nachdenken.
Guy trat näher an sie heran und legte eine Hand auf
Alex’ Schreibtisch, um sich abzustützen und um seinen
Worten Nachdruck zu verleihen. »Wenn man eine… ich
weiß nicht, wie es heißt… eine Handlung, die man
ernst nehmen muss…«
»Eine politische Aussage«, half ihm Alex. Sie hatte
diesen Ausdruck von Julian gelernt.
»Genau. Wenn man so eine eindeutige und allgemein
verständliche Aussage tätigen und ernst genommen werden
will, macht man es vielleicht auf diese Weise. Diese Dreckskerle in
Hope of Heaven sind inzwischen ziemlich großspurig. Wir haben
sie nach dem Übergriff auf die Forschungsanlage am Fluss nicht
zur Rechenschaft gezogen und auch nicht für die
Brandanschläge bei der Evakuierungsübung. Wir haben nur ein
paar unbedeutende Handlanger verbannt. Jetzt glauben sie, sie
könnten sich alles erlauben!«
Also hatte Guy bereits entschieden, dass die Einwohner von Hope of
Heaven schuldig waren.
Und vermutlich sind sie das auch!, dachte Alex benommen.
Warum konnte sie es nicht einfach hinnehmen?
Weil sie nicht glauben wollte, dass so etwas in Mira
geschehen konnte. Geschehen war.
Plötzlich verspürte sie mit jeder Faser ihres
Körpers und ihres Geistes das Verlangen, mit Jake zu
sprechen.
»Guy, was machen deine Leute jetzt? Was habt ihr bereits
unternommen? Wo ist… wo ist Lau-Wah?«
»Ich ließ ihn ins Krematorium bringen. Und ich habe
meine gesamte Mannschaft zusammengerufen. Jeglicher Verkehr von und
nach Hope of Heaven sind gesperrt: Straßen, Fluss,
Luftwege.«
Alex wusste nicht genau, ob das rechtmäßig war.
»Ich berufe sofort eine Dringlichkeitssitzung ein«,
verkündete sie. »Siddalee! Hol Ashraf und den Stadtrat und
sämtliche Bereichsleiter! Und Julian Martin! Jake hole ich
selbst.«
»Jake? Warum möchtest du…«
»Weil ich es so will!«, schnauzte Alex. »In zehn
Minuten bin ich zurück!«
Wenn sie rannte, würde sie es von ihrer Wohnung in nur
wenigen Minuten bis zum Mausoleum schaffen. Eben deshalb war sie in
dieses Gebäude gezogen. Die Passanten im Park starrten hinter
ihr her, als ihre MateR über die mit bunten genmodifizierten
Blumen gesäumten Wege an ihnen vorüberrannte, die
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