Crossfire 2: Feuerprobe
gewöhnt wie an Terrorismus. Ersteres ist
notwendig, um Letzteres unter Kontrolle zu bekommen.«
»Julian…«
»Alex, bevor Sie mich wieder anschreien, lassen Sie mich eine
Frage stellen: Warum gibt es auf Greentrees überhaupt
Terrorismus? Was ist die eigentliche Ursache?«
Damit sprach er genau das an, was sie im Grunde überhaupt
nicht verstand. »Lau-Wah Mah meinte…«
»Nein, ich will nicht hören, was Lau-Wah Mah dachte. Was
denken Sie?«
»Ich weiß nicht.«
»Ich schon. Es ist der gleiche Grund, aus dem es auch eine
prunkvolle öffentliche Trauerfeier für Lau-Wah Mah geben
sollte.«
»Eine Trauerfeier?« Das kam überraschend. »Was
hat eine Trauerfeier…«
»Und wieder der gleiche Grund, aus dem eure Schulen
unzureichend sind.«
Verärgert stellte sie fest: »Commander Martin, ich bin
nass und müde und wütend, und ich habe keine Lust auf
Rätselraten!«
»Natürlich haben Sie das nicht.« Überraschend
trat er neben sie und nahm ihr den Mantel ab. Sorgfältig achtete
er darauf, dass das Regenwasser nicht auf ihre Stola tropfte. Er
rückte ihr einen Stuhl zurecht, setzte sich selbst auf den
gegenüber und klappte den Computer zu. Sein Gesichtsausdruck
wirkte so demütig, so bittend, dass sie wieder ganz verwirrt
war. Sie kam sich dumm vor, wie sie da herumstand. Also setzte sie
sich.
»Also, was ist der eigentliche Grund für diesen
Terrorismus und die fehlende Trauerfeier und unsere schlechten
Schulen?« Julian senkte den Blick und schaute stumm auf seine
Hände, die er mit den Handflächen nach unten auf den leeren
Tisch gelegt hatte. Sie bemerkte, dass seine Finger lang und
kräftig waren, die Nägel ganz kurz geschnitten. An der
rechten Hand trug er einen einfachen goldenen Ring mit einem kleinen
grünen Stein.
Als er wieder zu ihr aufblickte, war seine Stimme sanfter, als sie
es je von ihm gehört hatte. »Verzeihen Sie mir, Alex. Ich
habe kein Recht, hier anzukommen und Ihre Lebensart zu kritisieren.
Immerhin habt ihr damit eine Kolonie aufgebaut, die jetzt schon
erfolgreicher ist als alles, was es in den letzten zweihundert Jahren
auf der Erde gab. Meine einzige Entschuldigung ist, dass ich
Greentrees schon in der kurzen Zeit, die ich hier bin, lieb gewonnen
habe. Dieser Planet ist alles, was die Erde hätte sein
können und zu unserer Schande nicht geworden ist. Ich hätte
nie geglaubt, noch einmal diese leidenschaftliche Hingabe an einen
Ort empfinden zu können. Es ist eine Empfindung, die sich mit
Worten gar nicht angemessen beschreiben lässt.«
Mit einem leichten Erschrecken erkannte sie, dass er jedes Wort so
meinte, wie er es sagte. Ihr Ärger schmolz dahin. Sie liebte
Greentrees ebenfalls. Und er hatte gesagt: »… noch einmal
diese leidenschaftliche Hingabe an einen Ort empfinden…«
Also hatte er schon einmal einen Ort derart intensiv geliebt –
und ihn verloren.
Sanft fragte sie: »Was meinten Sie mit der gemeinsamen
Ursache für Lau-Wah Mahs Ermordung und die fehlende Trauerfeier
für ihn und unsere Schulen?«
»Ihr habt eure Vergangenheit auf der Erde vergessen, ihr alle
auf dieser wundervollen Welt. Ihr haltet es nicht für wichtig.
Aber das ist es. Es ist das Wichtigste, denn nur die
Vergangenheit kann genug Stolz und Beharrlichkeit und Stärke
geben und die Opferbereitschaft hervorbringen, die nötig ist, um
einen richtigen Feind zu besiegen. Eine behagliche Gegenwart reicht
vielleicht aus, damit Menschen zusammenarbeiten. Wenn man gemeinsam
etwas aufbaut, kann das auch gemeinsame Ziele schaffen, aber die sind
nicht robust genug, um einen wirklichen Krieg auszuhalten!«
»Das verstehe ich nicht«, gestand Alex.
»Dann hören Sie mir zu, und überprüfen Sie
jede Behauptung, die ich mache, mit Ihrer eigenen Erfahrung.«
Ein Windstoß blies den Regen gegen das Fenster, in einem
plötzlichen, heftigen Trommelwirbel. Julian Martin sprach jedoch
deshalb nicht lauter, und Alex musste sich ein wenig näher an
ihn heranbeugen, um alles zu verstehen.
»Ein Mann namens Sallust schrieb dies vor beinahe zweieinhalb
Jahrtausenden, als seine Stadt Rom im Krieg stand: ›Die Teilung
Roms in einander bekämpfende Parteien ergab sich vor einigen
Jahren, und zwar infolge des Friedens und eines Überflusses an
Gütern, den die Menschen als höchsten Segen ansehen.‹
Kommt Ihnen das vertraut vor?«
»Nun, Lau-Wah Mah hat das gesagt. Und Jake
ebenfalls.«
»Ja. Mira ist ein so sorgenfreier Ort, Alex, so reich und
luxuriös. Die Menschen, die damals von der Erde hierhin
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