Crossfire 2: Feuerprobe
es gab nur wenig Kontakte
zwischen ihnen und Mira City –, aber sie hatte eine vage
Vorstellung vom Stammesrat: War das nicht eine Art übergeordnete
Instanz für die Angelegenheiten der zahlreichen einzelnen
Stämme und daher eine recht bedeutsame Institution? Aber der
Konflikt zwischen Cheyenne und wilden Pelzlingen dauerte nun schon
Jahrzehnte an und beschränkte sich auf zahlreiche
Scharmützel mit Speer und Pfeil und Bogen. Alex war
überrascht. »Bürgermeister Shanti…«
»… befindet sich nicht in Mira City. Deshalb komme ich
zu Ihnen.«
Also konnte sie die Sache nicht an Ashraf abschieben. Der
Häuptling strahlte eine gewisse Würde aus, das musste sie
ihm lassen. So respektvoll wie möglich sagte sie deshalb:
»Mira City hat auf dem Subkontinent keine Amtsgewalt, wie Sie
sicherlich wissen. Und die wilden Pelzlinge fallen auch nicht unter
unsere Rechtsprechung. Sie waren noch vor Ihren Leuten auf Greentrees
– und natürlich auch vor uns.«
»Ja. Aber erst seit kurzem werden sie von der Mira
Corporation mit Waffen beliefert.«
Alex starrte ihn an.
»Jawohl. Meine Leute wurden von Pelzlingen getötet, die das hierbei sich hatten.«
Aus einer Falte seines Obergewandes zog er eine Pistole, die Alex
sofort wiedererkannte: Es war ein Modell, wie es von Mira Citys stark
angewachsenem Sicherheitspersonal inzwischen geführt wurde, und
leicht aus Einzelteilen herzustellen, die auch für andere Zwecke
benutzt wurden – Elemente von kleineren Laserwerkzeugen und
entsprechende Verbindungsstücke. Es gab nur einen Ort in Mira
City, wo sie hergestellt wurden, und ihre Ausgabe war streng
reglementiert.
»Wie sind die Pelzlinge an diese Dinger herangekommen?«,
fragte sie dümmlich. »Wissen Sie das?«
»Nein. Aber jemand aus Mira City muss sie damit beliefern.
Wir nehmen an, dass Nan Frayne dahintersteckt.«
»Sie hat keinen Zugang zu diesen Waffen.«
»Seit das Große Rad im Osten aufgestiegen ist, wurden
fünfzehn Cheyenne mit diesen Waffen ermordet. Viele Pelzlinge
haben solche Waffen. Es werden also noch mehr Cheyenne sterben. Miss
Cutler, mein Volk ist nicht kriegerisch. Besinnlichkeit und die
Dankbarkeit für die Gaben des Großen Geistes steht im
Mittelpunkt unseres Lebens. Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir
auf Greentrees keine Wiederholung des Sand-Creek-Massakers dulden
werden. Wir werden alles tun, was erforderlich ist, um uns zu
verteidigen.«
Alex hatte noch nie vom Sand-Creek-Massaker gehört, aber sie
begriff, dass der Häuptling ihr drohte. »Häuptling
Aufgehender Stern, ich verspreche Ihnen, dass wir der Sache nachgehen
werden, angefangen mit Nachforschungen beim Hersteller der Waffen. Wo
kann ich Sie erreichen, wenn ich etwas herausgefunden habe?«
»Ich kehre zum Stammesrat zurück. Sie müssen mich
unterwegs aufspüren.« Er ging, und dabei bewegte er sich
leiser, als sie es für möglich gehalten hätte.
Alex saß hinter dem Schreibtisch und dachte nach. Yat-Shing
Wong war vermutlich immer noch am Leben. Er und seine
Gesinnungsgenossen waren von Pelzlingen befreit worden, die bei
dieser Aktion zwei von Julians Soldaten mit Speeren getötet
hatten. Also war womöglich Wong derjenige, der die Pelzlinge mit
Waffen versorgte.
Der Geschäftsführer der Waffenfabrik, die von der Mira
Corporation betrieben wurde, war ein Chinese.
Aber dieser Mann, Michael Lin, hatte Mira City stets
zuverlässig zur Seite gestanden, bei der Bewaffnung von Julians
Truppen, bei der Evakuierung und in jeder anderen Hinsicht, die ihr
einfiel. Alex vertraute ihm. Lin hatte es niemals offen ausgesprochen
– das tat kaum einer der Chinesen –, aber sie war
überzeugt davon, dass er die Taten der Dissidenten nicht
billigte.
Aber er war ein Chinese!
Warum hatten die Pelzlinge Wong bei der Flucht geholfen? Was
für einen Grund konnten sie dafür gehabt haben? Hatten sie
es als Gegenleistung für Waffenlieferungen getan? Aber wie
hätte ein solcher Handel zu Stande kommen sollen, vor allem
nachdem Nan Frayne und ihre Pelzlinge verhindert hatten, dass die
Aufrührer während der Evakuierungsübung Mira City
niederbrannten?
Das alles ergab keinen Sinn.
Sie musste mit Nan Frayne sprechen, was vermutlich unmöglich
war. Und mit Michael Lin und Julian, allerdings nicht über das
Sprechgerät. Zuerst mit Lin.
Aber der Gedanke, Julian zu sehen, selbst bei all den Problemen,
mit denen sie ihn konfrontieren musste, ließ ihr Herz schneller
schlagen. Es war schändlich, inmitten solcher Schwierigkeiten
etwas so
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