Crush Gier
hatte, bis sie noch einmal ihre Familie sehen konnte. Sie wollte von ihnen Abschied nehmen. Es hat eine immense Willenskraft und unglaublichen Mut erfordert, so lange durchzuhalten. Aber ihre Liebe war stärker als ihre Schmerzen. Als du mich gefragt hast, wer mein idealer Patient sei, musste ich sofort an sie denken.«
Es blieb eine Weile still, dann sagte er: »Du bist wirklich unglaublich, Dr. Newton. Kein Wunder, dass die Robbinsâ so groÃe Stücke auf dich halten.«
Sie erkannte den Themenwechsel in dieser Bemerkung. Er wollte alles über ihre Beziehung zu Toby und Corrine erfahren, und das war seine indirekte Art zu fragen. Was konnte es schaden, seine Neugier zu stillen? Wahrscheinlich wusste er sowieso schon Bescheid. Gut möglich, dass Toby ihm während ihrer ausgiebigen Unterhaltung am Korral so einiges erzählt hatte und Wick nun ihre Version hören wollte.
Als ihre Stirn diesmal zwischen seinen Schulterblättern zu liegen kam, blieb sie so stehen. »Nach der Sache mit Raymond Collier haben mich meine Eltern in ein Internat in Dallas verfrachtet. Während meiner ersten Weihnachtsferien dort fuhren sie beide nach Europa. Meine Mutter wollte eigentlich nicht, hat sie wenigstens behauptet. Aber mit T. Dan war nicht zu streiten. Um mich dafür zu bestrafen, dass ich ihnen so viel Ãrger gemacht hatte, musste ich über die Feiertage allein im Internat bleiben.
Irgendwie hatten Toby und Corrine Wind davon bekommen. Am ersten Weihnachtsfeiertag standen sie plötzlich vor der Tür. Sie hatten ihre Kinder dabei, SüÃigkeiten und Geschenke und versuchten mich aufzuheitern. Seither kümmern sie sich um mich. Wenn er ab und zu ein bisschen übertreibt mit seinem Beschützerinstinkt, dann nur, weil er in mir immer noch das einsame, traurige Mädchen von jenem Weihnachtsmorgen sieht.«
»Was ist damals wirklich im Arbeitszimmer deines Vaters passiert, Rennie?«
Sie hob den Kopf und zog ihre Hände unter seinen heraus. »Wenn wir nach Galveston wollen, sollten wir jetzt losfahren.«
Er drehte sich um und legte die Hände auf ihre Schultern. »Was ist damals passiert, Rennie?«
»Wesley wird es gar nicht gefallen, wenn wir zu spät kommen«, war ihre einzige Antwort.
»Hat er dich vergewaltigt? Oder es versucht?«
Wütend, weil er einfach keine Ruhe gab, schlug sie seine Hände weg. »Mein Gott, du gibst wohl nie auf!«
»Hat er?«
»Hat das mein Vater nicht der Polizei erzählt?«
»Schon. Und aus dem wenigen, was ich über T. Dan weiÃ, würde ich schlieÃen, dass er ohne mit der Wimper zu zucken Meineide geschworen hätte. Er hätte die Polizei kalt lächelnd angelogen. Also, wieso hast du auf Raymond Collier geschossen?«
»Wen interessiert das noch?«
»Mich interessiert es, verflucht noch mal! Es interessiert mich, weil du so verdammt fest entschlossen bist, das Geheimnis zu wahren, das dein Vater unter all seinem Geld begraben hat. Und es interessiert mich, weil ich seit zwei Tagen einen Ständer habe und nichts dagegen unternehmen kann. Nicht ohne dass du mir vorwirfst, ich würde dich betatschen, oder dass dein Nachbar Toby Todesdrohungen gegen mich ausstöÃt.«
Er hatte sie in die Ecke getrieben, im wahrsten Sinn des Wortes  â sie klemmte in dem Winkel der Küchenfront â und emotional. Also beschloss sie zu kämpfen.
»Raymond hat mich nie zu irgendwas gezwungen. Nicht an jenem Nachmittag. Nie. Wenn du dir eine Legende über eine versuchte Vergewaltigung zusammenstricken willst, weil ich dadurch in deiner Vorstellung irgendwie reingewaschen werde und du mich nicht mehr verachten musst, dann nur zu. Aber so war es nicht.
Als ich vierzehn war, hatten sich Raymond und T. Dan für einen Grundstücksdeal zusammengetan. Damals kam er immer öfter bei uns vorbei und verbrachte viel Zeit in unserem Haus. Ich wusste genau, wie ich auf ihn wirkte. Ich habe ihn umgarnt, so gut ich konnte. Scheinbar der liebevolle ältere Herr, begrabschte er mich bei jeder Gelegenheit. Ich hab ihn noch dazu ermuntert und mich insgeheim vor Lachen über ihn ausgeschüttet. Er zeigte ein so ⦠verzweifeltes Verlangen, das ich zum Totlachen fand.« Sie holte kurz Luft. »Findest du mich immer noch âºunglaublichâ¹, Wick? Wartâs ab. Es kommt noch mehr.«
»Hör auf, Rennie.«
»O nein, du wolltest doch alles erfahren.
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