Crush Gier
Gerichtsverhandlung gehört? Oder hattest du da gerade den Kopf in den Sand von Galveston gesteckt?«
»Natürlich habe ich davon gehört. Ein Mord. Und ein weiterer Freispruch«, antwortete Wick verbittert. »Dasselbe Lied, die zehnte Strophe. Was ist damit?«
Oren beugte sich vor und erklärte im Bühnenflüsterton: »Die Jury, die ihn freigesprochen hat â¦Â«
»Ja?«
»Rate mal, wer damals die Sprecherin war.«
4
Wick trug eine kurze Hose, ein Tanktop und Laufschuhe. Falls er einem neugierigen Nachbarn über den Weg lief, konnte er immer noch so tun, als sei er ein Jogger auf der Suche nach einem stillen Fleckchen, an dem er sich erleichtern konnte. Das würde vielleicht nicht besonders gut ankommen, wäre aber immer noch besser als die Wahrheit: dass er seinem Bullenfreund einen verbotenen Gefallen tat und in das Haus einer Verdächtigen einbrach, um Informationen zu sammeln.
Um seiner Verkleidung mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, lief er mehrere Runden um den kleinen Stadtpark, der ein paar Blocks von Rennie Newtons Haus entfernt lag. Als er schlieÃlich über den Zaun flankte, der ihren Garten von der schmalen Durchfahrt
hinter ihrem Haus trennte, standen ihm ein paar überzeugende SchweiÃperlen auf der Stirn.
Ein paar Gärten weiter hörte er einen Rasenmäher brummen. Ansonsten lagen die Nachbarhäuser in tiefer Stille. Sie hatten den Einbruch extra auf diese Tageszeit verlegt. Es war noch zu früh, als dass die Berufstätigen von der Arbeit heimkamen, und schon zu spät, als dass die Daheimgebliebenen drauÃen arbeiteten.
Er trat an den Hintereingang und öffnete den ReiÃverschluss der Bauchtasche, die er sich umgeschnallt hatte. Dann zog er ein Paar Latexhandschuhe heraus und streifte sie über, auch wenn er das dem neugierigen Nachbarn in seinem Ich-muss-nur-pissen-Szenario schwerlich hätte erklären könnte. Aber lieber ein verwirrter Nachbar als ein Richter mit einem eindeutig gesicherten Fingerabdruck. Als Nächstes zog er seine MasterCard aus dem Beutel. Nach nicht einmal drei Sekunden war die Tür offen.
Orens Warnung zum Abschied im Ohr â »Wenn du geschnappt wirst, hab ich nie von dir gehört« â huschte er ins Haus.
Wick war nur selten so verblüfft, dass ihm die Worte oder eine schlagfertige Erwiderung fehlten. Doch als ihm Oren gestern Abend eröffnet hatte, dass Rennie Newton Sprecherin einer Jury gewesen war, hatte er mehrere Sekunden gebraucht, um seine Stimme wiederzufinden, und selbst dann nur ein wenig beredtes »Huh« herausgebracht.
Und schon hatte ihn Oren am Haken gehabt.
Jetzt hielt er im Haus der ehemaligen Geschworenen inne und lauschte. Sie waren davon ausgegangen, dass es keine Alarmanlage gab. Oren hatte die städtischen Akten nach der erforderlichen Registrierung durchforstet. Es war keine Registrierung aktenkundig, und kein elektronisches Piepen warnte Wick jetzt, dass eine Alarmanlage reagiert hatte.
Seine Ohren registrierten nur das tiefe Schweigen eines leeren Hauses. Seit beinahe einer Woche stand Dr. Newton inzwischen unter polizeilicher Beobachtung. Sie wussten, dass sie allein lebte, und Oren hatte ihm erklärt, dass man die Uhr nach ihrem Tagesablauf
stellen konnte. Sie fuhr erst heim, nachdem sie im Krankenhaus die Abendvisite gemacht hatte. Oren hatte ihm versichert, dass sie stets um die gleiche Zeit plus/minus zehn Minuten in ihr Haus zurückkehrte.
Durch die Hintertür war Wick in die Küche gekommen, die kompakt und makellos sauber wirkte. In der Spüle standen nur zwei Teile: eine Kaffeetasse und die Glaskanne aus der Kaffeemaschine. Beide waren einen Fingerbreit hoch mit Seifenwasser gefüllt.
In der Schublade neben dem Herd lagen die Kochgeräte aufgereiht wie Operationsbesteck auf einem sterilen Tablett. Unter den Messern war auch ein Fleischmesser. Es hatte einen Schaft aus Plastik und gehörte zu einem vollständigen Set.
Im Brotkasten lag ein Vollkorntoastbrot, dessen Plastikbeutel ordentlich mit der Metallklammer wiederverschlossen war. Bei allen geöffneten Frühstücksflockenpackungen im Vorratsschrank steckte die Lasche des Deckels im Schlitz. Die Gemüsedosen waren zwar nicht alphabetisch sortiert, aber so exakt ausgerichtet, dass es beinahe genauso penibel wirkte.
Der Inhalt ihres Kühlschranks deutete daraufhin, dass sie eine bewusste Esserin, aber nicht fanatisch auf ihr Gewicht
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