Crush Gier
hängen.« Thigpen deutete mit dem Daumen auf die Wand, wo er die freizügigeren Porträts von Rennie Newton angeklebt hatte.
Wick warf einen kurzen Blick auf die Bilder, auf die Thigpen so stolz war, griff dann ärgerlich nach einer Wasserflasche und drehte den Deckel ab. Ohne auch nur einmal Luft zu holen, leerte er sie bis auf den letzten Tropfen.
»Und?«, fragte Oren.
Wick setzte sich und trat sich die Laufschuhe von den FüÃen. »Mit einem Wort?«
»Für den Anfang.«
»Ordentlich. Pingelig. Krankhaft sauber.«
Er beschrieb die Küche, das Wohnzimmer, den Arbeitsraum. Vom Schlafzimmer sagte er: »Das war nicht ganz so aufgeräumt. Das Bett war ungemacht, aber alles andere stand an seinem Platz. Vielleicht war sie heute Morgen in Eile.« Er zählte auf, was er alles in ihrem Nachttisch gefunden hatte.
»War die Karte in einem Umschlag?«, wollte Thigpen wissen.
»Nein, das habe ich doch schon gesagt. Es war eine einfache weiÃe Karte. Klein. Mit einer einzigen getippten Zeile.«
»Sie kommt aus Dalton«, bestätigte Oren, als Wick von dem Nachruf berichtete. »Da ist sie aufgewachsen. Ihr Vater war ein erfolgreicher Rinderzüchter und Geschäftsmann. Angesehenes Mitglied der Gemeinde. Hatte überall seine Finger drin. Sie war ein Einzelkind.«
»Und hat offensichtlich keine weiteren Verwandten. Sie wurde als einzige Hinterbliebene ihrer Mutter aufgeführt.« Was auch erklären würde, warum sie eine unberührte Packung Briefpapier besaÃ, dachte Wick. Wem sollte sie schon schreiben?
»Hast du irgendwas gefunden, was darauf hindeutet â«
»Dass sie Kontakt mit Lozada hatte?«, fragte Wick und nahm Oren damit die Frage aus dem Mund. »Nada. Ich glaube, sie hat privat mit überhaupt niemandem Kontakt. Es gibt in dieser Wohnung kein einziges Foto, keine einzige hingekritzelte Telefonnummer. Unsere gute Ãrztin scheint ein sehr einsames Leben zu führen.«
Als er nicht weitersprach, ermunterte ihn Oren mit einer Geste fortzufahren. »Es gibt eindeutig keinen Hinweis auf einen männlichen Besucher, kriminell oder nicht. Keine Männerkleidung in ihrem Schrank oder in einer Schublade. Der einzige Rasierer im Bad ist rosa. Nur eine Zahnbürste. Keine Pille, keine Kondome, kein Diaphragma. Sie ist eine Nonne.«
»Vielleicht ist sie eine Lesbe.«
»Vielleicht bist du ein Kretin«, schoss Wick in Thigpens Richtung zurück.
Oren sah ihn befremdet an und wandte sich dann an seinen Kollegen. »Warum machst du heute nicht früher Feierabend?«
»Das musst du mir nicht zweimal sagen.« Thigpen wuchtete sich auf und zog die rutschende Khakihose hoch, die tief unter seinem Bauchansatz hing. Mit einem schiefen Blick auf Wick knurrte er: »Was hast du eigentlich für ein Problem?«
»Vergiss das Brot nicht.«
»Fick dich.«
»Thigpen!« Oren sah ihn tadelnd an. »Morgen früh um sieben meldest du dich zurück.«
Thigpen warf Wick einen letzten grimmigen Blick zu und rumpelte gleich darauf die Treppe hinunter. Weder Wick noch Oren sagte ein Wort, bis sie hörten, wie die Haustür des leer stehenden Gebäudes ins Schloss fiel. Dann fragte Oren: »Was hast du für ein Problem?«
»Ich brauche eine Dusche.«
Seine Antwort ging zwar an der Frage vorbei, doch Oren hakte nicht nach. »Du weiÃt, wo sie ist.«
Verglichen mit anderen Bädern war es ein Loch. Die mitgebrachten Handtücher lohnten kaum das Abtrocknen. Sie waren billig und klein und nahmen so gut wie kein Wasser auf. Wick hatte Seife beigesteuert, die er aus seinem Motelzimmer hatte mitgehen lassen. HeiÃes Wasser gab es auch keines. Doch das Bad in seinem Haus in Galveston war auch nicht berauschend. Der fehlende Komfort fiel ihm kaum auf.
Das leer stehende Haus war der ideale Unterschlupf, um Rennie Newtons Wohnung zu observieren, denn es bot freien Blick auf ihren Garten und die Einfahrt zur Garage. Das Haus war gerade im Umbau gewesen, als es zwischen der Baufirma und dem woanders wohnenden Eigentümer zum Streit gekommen war. Der Streit war immer weiter ausgeartet und würde nun vor Gericht geklärt werden.
Das FWPD hatte beide Parteien gefragt, ob sie das Haus nutzen könnten, und beide hatten gegen eine kleine Aufwandsentschädigung zugestimmt. Weil es eine Baustelle war, konnten die Polizisten als Handwerker oder Bauarbeiter verkleidet ein und
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