Crush Gier
Tradition?«
»Vielleicht.«
»Oder weil es praktisch ist. Es sind die Ferienmonate. Das macht es den Gästen von auÃerhalb leichter zu kommen.«
»So wie Ihnen?«
»Von auÃerhalb?« Sie zögerte nicht lang, aber doch spürbar. »Nein, ich wohne hier.«
Obwohl sie das absolut nicht zu interessieren schien, erzählte er ihr, dass er ebenfalls in Fort Worth lebe. »Sind Sie von der Seite der Braut oder des Bräutigams?«
»Der Vater des Bräutigams ist ein Kollege von mir.«
»Meine Mutter ist eine Cousine zweiten Grades der Brautmutter«, log er. »Glaube ich wenigstens. Mom konnte nicht selbst kommen, aber sie meinte, jemand aus unserem Zweig der Familie sollte sich blicken lassen⦠Sie wissen ja, wie das ist.«
Wieder versuchte sie, ihn abzuwimmeln. »Dann viel Spaà noch. Und noch mal vielen Dank für das Eiswasser.«
»Ich heiÃe Wick Threadgill.«
Sie starrte mehrere Sekunden verständnislos auf seine ausgestreckte
Rechte, bis er zu fürchten begann, sie würde ihn einfach so stehen lassen. Doch dann ergriff sie seine Hand und drückte sie kraftvoll, wenn auch nur eine Sekunde, bevor sie ihre Finger wieder zurückzog. Ihm blieb gerade Zeit genug, um festzustellen, dass ihre Hand kälter war als seine, wahrscheinlich weil sie das Wasserglas so fest umklammert hielt, seit er es ihr an der Bar überreicht hatte.
»Haben Sie Wick gesagt?«
»Genau. Und ich habe keinen Sprachfehler.«
»Ein ungewöhnlicher Name. Ist es eine Abkürzung?«
»Nein. Ich heiÃe einfach Wick. Und Sie?«
»Rennie Newton.«
»Ist das eine Abkürzung?«
»Für Doktor Rennie Newton.«
Er lachte. »Sehr erfreut, Dr. Rennie Newton.«
Sie sah kurz zum Ausgang hinüber, als wollte sie für alle Fälle den günstigsten Fluchtweg parat haben. Er hatte das Gefühl, sie würde jeden Moment ReiÃaus nehmen, und wollte das Gespräch so lange wie möglich in Gang halten.
Selbst wenn sie nicht im Fadenkreuz ihrer Ermittlungen gestanden hätte, hätte ihr Verhalten ihn neugierig gemacht. Auch wenn er ihr ganz ohne Hintergedanken begegnet wäre, hätte er wissen wollen, warum eine Frau, die so weltgewandt wirkte, so höllisch nervös wurde, nur weil sie in der völlig unverfänglichen Situation einer Hochzeitsfeier, umgeben von Hunderten anderer Gäste, mit einem Fremden ein belangloses Gespräch führen sollte.
»Und was für ein Doktor sind Sie?«, fragte er.
»Ãrztin.«
»Fachärztin?«
»Chirurgie.«
»Wow. Ich bin beeindruckt. Behandeln Sie auch Verletzungen? Nach SchieÃereien oder Messerstechereien, so wie sie es immer im Fernsehen zeigen?« Die Art von Verletzungen, die bei
ihrem Kollegen im Leichenschauhaus landeten? Er forschte in ihren unglaublich grünen Augen nach einem schuldbewussten Flackern, doch falls sie tatsächlich etwas mit dem Mord zu tun hatte, verriet ihr Blick nichts davon.
»GröÃtenteils sind es geplante Routineeingriffe. Aber im Notdienst habe ich natürlich auch mit Verletzungen zu tun.« Sie tätschelte ihre perlenbesetzte Handtasche. »So wie heute. Ich habe meinen Piepser dabei.«
»Und darum trinken Sie auch keinen Alkohol.«
»Nicht einmal ein Glas zum AnstoÃen, wenn ich Bereitschaft habe.«
»Also, ich hoffe, Sie werden heute Abend nicht weggerufen.« Sein Tonfall und sein Blick machten unmissverständlich klar, wie das gemeint war. Und seine unmissverständlichen Absichten machten sie unmissverständlich nervös.
Ihr Lächeln brach in sich zusammen. Um sie herum fuhren unsichtbare Schranken hoch wie Laserstrahlen um ein kostbares Museumsstück. Falls er ihr zu nahe käme, würde er unweigerlich Alarm auslösen.
Ein Trommelwirbel lenkte ihre Aufmerksamkeit zum Podium, wo sich die Braut anschickte, einer Horde von kreischenden und drängelnden jungen Frauen den Brautstrauà zuzuwerfen. Wick stand halbrechts hinter Rennie. Er kannte die Frauen gut genug, um zu spüren, dass sie sich in seiner Nähe unbehaglich fühlte. Warum nur?, fragte er sich.
Inzwischen hätte fast jede andere Frau entweder: (A) seine Flirtversuche erwidert und damit zu erkennen gegeben, dass sie für den Rest des Abends verfügbar war; (B) ihm von einem Freund erzählt, der leider nicht zu der Hochzeit kommen konnte, dem sie aber treu ergeben war; oder ihm
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