Crusie, Jennifer - Der Cinderella-Deal
in die Ferne. »Du hast recht mit Linc, aber ich glaube, das mochte ich gerade nicht an ihm. Keine Herausforderung, keine Aufregung. Solange Linc in der Nähe ist, geht nichts schief.«
»Ja.« Daisy dachte daran, wie sie neben Linc in seinem schrecklichen Auto durch die Nacht gefahren war und sich sicher und geborgen gefühlt hatte. »Das war großartig.«
»Nur das?«
Nun, nicht ganz. Da ist auch noch sein toller Körper. Um sich abzulenken, stand Daisy auf und ging in die Küche. »Nur das. Möchtest du einen Kaffee?«
»Die Wahrheit wäre mir lieber.«
Geräuschvoll atmete Daisy aus und wandte sich zu ihr um. »Also gut, es war nicht nur das. Sein Körper hat mich in Versuchung gebracht. In sehr große Versuchung. Ich träume jetzt noch von ihm. Aber zu dem Körper gehört ein Kopf, der mich für einen Albtraum hält, und diese ständige Missbilligung könnte ich nicht ertragen. Selbst wenn er mich mit nach Prescott nehmen wollte, was er nicht will, weil er nicht mal im Treppenhaus mit mir redet. Und jetzt ist er weg, darum ist es auch egal. Also, willst du Kaffee?« Sie musste blinzeln und merkte, wie ihr die Tränen kamen. Ohne Julias Antwort abzuwarten, drehte sie sich schnell um und ging in die Küche.
Was gut war, denn jetzt fing Julia echt an, sie zu nerven. »Wärst du mit nach Prescott gegangen, wenn er gefragt hätte?«
Daisy nahm einen Kaffeebecher aus dem Schrank. »Ich weiß nicht. Vielleicht.« Sie drehte sich wieder um und deutete mit der Hand auf die Wohnung. »Das hier funktioniert nicht für mich. Wenn ich als Künstlerin wachsen soll, muss ich mich neu erfinden. Ich kann nicht an der Vergangenheit festhalten, und ich kann nicht ständig die gleichen Sachen machen. Aber hier ist es schwer. Ständig muss ich ums Geld kämpfen und mir einreden, wie gut ich bin, obwohl das sonst keiner findet…«
»Ich finde dich gut.«
»… und jetzt fällt mir sogar das Malen schwer.« Daisy lehnte sich gegen die Anrichte und versuchte, in Worte zu fassen, was ihr im letzten Jahr immer klarer geworden war. »Ich stecke in meinem alten Ich fest, und ich weiß nicht, wie ich da rauskommen soll. Ich weiß nur, dass das alte Ich nicht mehr das echte Ich ist.«
»Und in Prescott hättest du dich neu erfinden können«, fügte Julia hinzu und nickte. »Sicher. Aber dann hättest du dich unter dem Deckmantel einer Lüge neu erfunden.«
»Vielleicht nicht.« Mit geschlossenen Augen stellte Daisy sich das Leben in Prescott in dem hübschen viktorianischen Haus vor. Das war nicht weiter schwer, denn das tat sie, seit sie und Chickie das erste Mal durch die Tacoma Street gefahren waren. »Das College ist zwar konservativ, aber die Stadt wirkt irgendwie aufgeschlossen, modern. Es gibt eine Kunstgalerie. Und ein Haus, ein wirklich entzückendes Haus, kein Apartment. Vielleicht hätte ich mich dort zu etwas Echtem erfinden können.« Als die Kaffeemaschine zischte, verblasste ihre Vorstellung von Prescott im Frühling. Die vollgestopfte öde Wohnung kam wieder zum Vorschein und damit alles, was sie in ihrem Leben nicht mehr wollte. »Aber es hätte nicht funktioniert, und wahrscheinlich wäre es ohnehin nur eine Flucht gewesen.«
»Vielleicht nicht«, widersprach Julia. »Linc ist ein netter Kerl. Vielleicht hätte es geklappt.«
»Nicht in tausend Jahren«, gab Daisy zurück. »Also, willst du jetzt Kaffee oder nicht?«
Julia nahm den Kaffee und versuchte, das Gespräch über Linc am Laufen zu halten, aber Daisy hatte genug. Sie mauerte, bis Julia entnervt aufgab und ging. Das war allerdings auch keine Verbesserung, weil Daisy so mehr Zeit hatte, an Prescott und Linc zu denken, weswegen sie etwas schneller atmete, was sie wütend machte. Hör auf damit, schalt sie sich. Und hör vor allem auf, daran zu denken, wie angenehm und sicher es sich in seinen Armen angefühlt hat und wie gut er ohne sein Hemd aussieht. Wahrscheinlich schläft er inzwischen eh schon mit Klein-Gertrude, der inzestuöse Idiot.
Der Gedanke war der Hammer, und Daisy verbannte Linc aus ihren Gedanken. Als Allerletztes brauche ich noch einen missbilligenden Mann in meinem Leben, dachte sie. Aber während der Sommer an ihr vorbeizog, fiel ihr das Malen immer schwerer, und sie fing an, ihre Wohnung zu hassen. Sie fühlte sich eingesperrt, wie an ihr altes Leben gekettet. Manchmal, mitten in der Nacht, stahl Linc sich zurück in ihre Gedanken. Dann dachte sie: Als er mich umarmt hat, war er nicht missbilligend. Und dann ohrfeigte sie sich
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