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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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Papierschnipsel auf einer Konfettiparade herab. Dumpfe Detonationen ließen die Erde erbeben. Plötzlich war Simon hellwach. Das war kein Traum! Laut und deutlich drangen die Donnerschläge einer gewaltigen Explosion an sein Ohr. Es klang als ob die Posaunen von Jericho zum Sturmangriff auf Sodom und Gomorrha bliesen. Der Boden unter ihm erzitterte wie bei einem Beben der Stärke 7 auf der Richter-Skala. Instinktiv zog Simon den Kopf ein und kullerte in eine Kuhle. Eine Druckwelle rollte durchs enge Tal, brach sich an den Felstürmen und machte sich grollend aus dem Staub. Die Luft ringsum vibrierte, schien wie ein gewaltiger Resonanzkörper in Schwingung geraten zu sein. Simon hielt den Atem an. Langsam verebbte das infernalische Getöse und die Vögel des Waldes stimmten ein verwirrtes, aufgeregtes Zizibe an. Blaumeisen, Rotkelchen und Grünspechte schienen sich zu fragen was der Lärm zu bedeuten hatte, welcher Donnervogel da über ihnen kreiste? In Simon sprach die Stimme der Neugier: er musste zur Unglücksstelle, um herausfinden was geschehen war. In rasender Eile stopfte er das Manuskript in den Rucksack, wand sich die Decke um die Schulter und trabte im Schweinsgalopp bergab. Seine Gedanken überschlugen sich, um die wildesten Vermutungen anzustellen: War ein NATO-Kampfjet in die Watzmann-Wand gedüst? Hatte ein Terrorkommando einen Anschlag verübt? Auf das Dokumentationszentrum am Obersalzberg? Auf das exklusive Fünf-Sterne Hotel „Grand Imperial Ressort“? Auf die von Öloligarchen und Mafiamagnaten frequentierte Eckerbichl Lodge? Über dem Tal spannte sich ein mächtiger Schirmpilz aus Staub, Rauch und Asche. Pi mal Daumen versuchte Simon abzuschätzen, wo das Epizentrum der Detonation lag. Nach einigem Hin und Her kam er zu dem Schluss, dass der Sprengsatz, die Mine oder was auch immer nicht am Obersalzberg, sondern oberhalb der Schwarzen Wand, mithin im Kirchwald und in unmittelbarer Nähe der Hochhartinger Kirche hochgegangen sein musste - bei der Einsiedelei! Jäh fuhr im den Schrecken in die Glieder, ein Strom glühendheißer Magma schoss durch seine Blutbahn. Simon wurde schwarz vor Augen: Horrorszenarien geisterten über seine Netzhaut: ein hell loderndes Höllenfeuer, dass alles verschlang. Brennende Dächer, einstürzende Stützmauern, die alles unter sich begruben. Endlich erreichte Simon den Wanderparkplatz. Achtlos warf er Decke und Rucksack auf die Rückbank und brauste auf qualmenden Pneus davon. Falls ihn sein siebter Sinn nicht trog, war jemand auf dieselbe Idee verfallen wie Sie. Er war in die Eremitage eingestiegen und hatte eine Bombe gelegt, um… Ja um was? Um belastendes Material zu vernichten? Um die Spuren der Entführung zu verwischen? Hatten Sie bei ihrer nächtlichen Aktion etwas Entscheidendes übersehen? Schaudernd spürte er den Atem der Paranoia im Nacken, spürte wie die stählernen Klauen der Furcht seine Kehle umklammerten. Getrieben von der eigenen Angst, blickte Simon fortwährend in den Rückspiegel. Er wurde das Gefühl nicht los, dass er verfolgt wurde. Sein unsichtbarer Schatten raunte ihm zu:
                „Der Antichrist ist unter uns! Hör die Worte des Propheten! Siehe der Tod und die Helle werden geworfen in einen feurigen Pfuhl!“
                Simon schauderte: das Grauen durchzog das Land wie das graue Band einer Befestigungsmauer auf den Kämmen der Berge.
     
    Eine bullige, bemützte Gestalt spiegelte sich im dunklen Glas seiner Ray-Ban. Simon nahm die Sonnenbrille ab und hielt dem desinteressiert drein blickenden Streifenhörnchen seinen Presseausweis unter die Knubbelnase. Der vierschrötige Bauernbulle trug über seinem Khakidress eine ausgebeulte Erdmannjacke. Mit lässiger, vor dem Spiegel einstudierter Geste schob er die Schirmmütze aus seiner von Eiterpickeln verunstalteten Neandertalerstirn. Mit verkniffenem Beamtenblick musterte er den Ausweis und blaffte im Befehlston:
                „Sie warten hier! Ich muss das überprüfen!“
                Der Erdmann-Ephore nahm den Ausweis an sich und stapfte wiegenden Schritts zu seinem Wagen. Regungslos beobachtete Simon wie das Pickelgesicht ungeschickt an seinem Funkgerät herumhantierte, ehe endlich die Verbindung zustande kam. Nach kurzem Wortwechsel verzog er seine Furunkelvisage zur mürrischen Miene eines Scharfrichters, der von der Begnadigung seines Delinquenten erfährt. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, gab er ihm den Ausweis zurück und

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