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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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winkte ihn mit herablassender Handbewegung durch. Unterhalb der letzten Spitzkehre war indes Endstation. Die Einsatzfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr versperrten ihm den Weiterweg. Simon stellte seine Karre ab und ging zu Fuß weiter. In und um Hochharting herrschte Hochbetrieb: die Ambulanzwägen vom Roten Kreuz, den Johannitern, den Maltesern und einigen privaten Rettungsdiensten standen mit eingeschaltetem Blaulicht am Straßenrand. Eine Hundertschaft der Bereitschaftspolizei schwärmte aus, um das Areal weiträumig abzusperren. Die Feuerwehrmannschaften machten indes keine Anstalten zur Unglücksstelle vorzudringen. Hier gab es nichts mehr zu löschen. Die Wucht der Explosion hatte keinen Stein auf dem anderen gelassen. Der Sakralbau samt Kuratenhaus, Schobern und Remisen lag in Trümmern. Die Arbeit von dreihundert Jahren war binnen Sekunden pulverisiert worden. Dort wo sich der Kirchturm zum Himmel erhoben hatte, gähnte ein trichterförmiger Krater. Simon stand stumm vor diesem Bild der Verwüstung. Statt Glanz und Gloria war da nur mehr Schutt und Asche. Er wischte eine Träne aus dem Augwinkel: dieses Juwel barocker Prachtfülle war unwiederbringlich verloren. Keine noch so mustergültige Rekonstruktion, kein noch so detailgetreues Duplikat konnte das Original ersetzen. Welche diabolischen Mächte waren hier am Werk? Welche Terrorgruppe verübte solch wahnwitzige Taten? Wer verfügte überhaupt über das logistische Know-how, um einen solch spektakulären Anschlag auszuführen? Es schien Simon widersinnig, so viel Staub aufzuwirbeln, um eine Entführung, ja selbst ein Gewaltverbrechen zu decken. Für die Attentäter musste mehr als Mord und Totschlag auf dem Spiel stehen. Simon blickte sich um: am Kraterrand tummelten sich die Sprengstoffspezialisten der Tatortgruppe. Neben einem Erdhügel stritten drei in wehende weiße Kittel gehüllte Gestalten heftig untereinander. Simon erinnerte das Großaufgebot der Polizei an den letzten Sommer: damals hatte ein angeblich unter Depressionen leidender, vom Dienst suspendierter Grenzschutzbeamter wild um sich gefeuert, um sich anschließend mit zwei Geiseln in dem Gebäude zu verschanzen. Aus langjähriger Praxis wusste er, dass man sich bei solchen Großeinsätzen abwartend verhalten musste, um den Einsatzleiter oder den Kripo-Kapo zu einer Stellungnahme zu bewegen. Und ohne eine Dosis Vitamin B lief in der Crime Time sowieso nichts. Simon hielt Ausschau nach dem „Chef“: Kripobeamte sondierten mit Metalldetektoren das Terrain, stocherten zwischen Schutthalden und Mauerresten herum. Ihre Kollegen von der Spurensicherung durchkämmten systematisch das Gebiet, fahndeten nach Splittern, Schnipseln und DNA-Rückständen, kratzten irgendwelche Restchen von den verkohlten Trümmern. Eine Sisyphussuche wie die nach der Nähnadel im Heuhaufen.
     
    Trotz seiner pygmäenhaften Statur und dem „Gardemaß“ von knapp über einem Meter Fünfundfünfzig war Hauptinspektor Karl „Charles“ Bruckmeier kaum zu übersehen. Der Schrecken aller Berufs- und Hobbyverbrecher lehnte in der Pose eines Special Agents an einem feuerroten BMW-Cabrio. Bruckmeier bestätigte in idealtypischer Manier sämtliche Vorurteile gegenüber kleinen Männern: er war ein cholerischer Giftzwerg mit Stirnglatze und Bordeauxbauch, ein geltungssüchtiger, wichtigtuerischer Profilneurotiker, der jede Gelegenheit nutzte, um sein Image als Spürhund de Luxe aufzubürsten. Für seine unkonventionelle Art und seine unorthodoxen Methoden war er berühmt-berüchtigt. Von Vorgesetzten wie Untergebenen wurde er gleichermaßen gefürchtet wie geschätzt. Ein Egozentriker und Egomane, der es wie kein zweiter verstand, sich in die Psyche von Psychopathen, Drogendealern und Menschenhändlern, Gaunern und Ganoven jeglicher Couleur hineinzuversetzen und sich deren „Denke“ zu eigen zu machen, um die Täter zu überführen. Seine Maxime war eben so einfach wie wirkungsvoll: den Gegner studieren, infiltrieren, ihn mit den eigenen Waffen schlagen. Gesetze und Vorschriften waren in seinen Augen dazu da, um umgangen, gedehnt und notfalls ad hoc revidiert zu werden. Bruckmeier nahm sich ein Beispiel an Napoleon. Der „große Korse“ und sein allgewaltiger Polizeiministers Fouché, der Schlächter von Lyon, waren seine verehrten Vorbilder. Menschen, die am Rad der Geschichte gedreht, die die Welt aus den Angeln gehoben hatten. Je spektakulärer der Fall, je abscheulicher das Verbrechen desto mehr ging „Monsieur Le

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