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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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hatte also Anklage erhoben. Und nun war die „ehrenwerte Ritter-Gesellschaft“ am rotieren. Vor seinen geistigen Augen tauchte das schwitzende Schweinsgesicht Dirrigls auf. Er sah den Fettsack mit einem schweren Geldkoffer in der Hand, sah wie er unscheinbare, graue Umschläge in Schleißfächern deponierte. Simon schaute stur gerade aus und vermied es den durchdringenden Sperberblicken seiner Eminenz zu begegnen. Wenn nur die Hälfte seiner Vermutungen zutraf, musste er extrem vorsichtig vorgehen, um nicht der nächste zu sein, der mit gebrochenen Gliedern am Kreuz hing. Diese Versammlung gehässiger, renommiersüchtiger, mit ihrer humanistischen Gelehrtheit protzender Gestalten würde jedenfalls für weniger als dreißig Silberlinge ihren Herren und Meister verraten. Und was war mit Niederstrasser, dem Dompteur dieser Löwenbande? Diesem blutleeren, seine Hände in Unschuld waschenden Pharisäer war alles zuzutrauen – sogar Mord. Um die Fassade der Wohlanständigkeit und Gottesfürchtigkeit zu wahren, würde er über Leichen gehen, ja er würde wie die Borgias im alten Rom nicht davor zurückschrecken seine Rivalen und Gegner zu beseitigen, indem er ein hochwirksames „Pharmakon“ in den Kelch Jesu träufelte. Ein schiefes, grimmiges Grinsen entstellte seine Züge. Wie hatte der Padrone Corleone im „Paten“ orakelt:
                „Willst du den Kopf der Viper zertreten, nähere dich lautlos und von hinten! Willst du den Kopf des Gegners, dann hack ihm die rechte Hand ab.“
     
    Das Wort war die gefährlichste aller Waffen, schärfer als ein Krummschwert, spitzer als ein Stilett, treffsicherer als jede Kugel. Und Niederstrasser war ein Großmeister des rhetorischen Fachs:
                „Liebe Mitbrüder. Ich verstehe eure Empörung, ich teile eure Wut! Meine Seele ist voll Sorge und Betrübnis. Ein Gefühl der Schuld und der Scham bedrückt mich. Wie ihr wurde ich hintergangen und hinters Licht geführt. Doch wer von uns ist ohne Sünde? Wer von uns begeht keine Fehler?“
                Niederstrasser hielt inne und ließ seinen Raubvogelblick durch die Reihen der Ritter wandern. Der Meister trug einen weißwollenen Mantel und darüber eine schwarzseidene Stola auf der das feuerrote Tatzenkreuz der Templer brannte. Aus den Ärmeln krochen zwei knochige Krallen, die nur darauf zu warten schienen Häretikern und Hexen die Gurgel umzudrehen:
                „Es ist nicht an uns, über unseren verstorbenen Mitbruder zu richten, der uns so viel Schmerz und Kümmernis bereitet hat. Im Geiste Jesu wollen wir ihm seine Missetaten vergeben, damit auch unsere Schuld vergeben wird. In Zeiten wie diesen nagen Zweifel an uns. Ja, wir beginnen irre zu werden am unbedingten Glauben an Gott! Ich aber sage euch, schenkt den Einflüsterungen Satans kein Gehör. Widersteht dem Verführer, der Argwohn, Zwietracht und Missgunst in eure Herzen sät!“
                Ein mephistophelisches Lächeln zuckte um seine dünnen Lippen:
                „Lasst uns einig und stark sein, lasst uns auf Gott vertrauen und auf seine vergebungsvolle Güte bauen! Hört die Worte des Johannes: Si dixerimus quoniam societatem habemus cum Eo et in tenebris ambulamus mentimur et non facimus veritatem si autem in luce ambulemus sicut et Ipse est in luce societatem habemus ad invicem et sanguis Iesu Filii. Wenn wir behaupten, dass wir Gemeinschaft haben mit ihm, wandeln aber in der Finsternis, so lügen wir und sprechen nicht die Wahrheit. Wenn wir aber im Lichte wandeln, so haben wir Gemeinschaft miteinander.“
                Unter den Donnerworten des Meisters beugten die aufmüpfigen Brüder ihr Haupt.
                „Er selbst ist im Lichte und das Blut seines Sohnes reinigt uns von aller Sünde. Wenn wir behaupten, dass wir keine Sünde haben, so verführen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsere Sünden eingestehen, ist er willens uns die Sünden zu vergeben und uns den Stricken des Vösen zu entwinden.“
                Um seinen mahnenden Worten Nachdruck zu verleihen hob er die Arme wie der Hohepriester eines antiken Mysterienkults:
                „Ich bin der Weg, die Wahrheit, das Licht und das Leben! Diese Worte Jesus sind der Kern des Evangeliums - alles andere ist Interpretation, Analogie, Paraphrase. Wir, die armen Adjunkten und Collaboranten Christi sind aufgerufen den einzig, wahren Glauben zu

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