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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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Diskussionsrunde leitete, zu bunt geworden. Mit schneidender Stimme hatte er dem Gezänk der Streithähne Einhalt geboten:
                „Gedenket der Worte des Herrn: Si vis ad vitam venire, serva mandata. Et iterum: Vos amici miei estis, si feceritis quae ego praecipio vobis. Jam non dicam vos servos: quia servus nescit quid faciat dominus ejus. Vos autem dixi amicos! Wer dem Herrn gehorcht, wird nicht sein Diener sondern sein Gefährte sein!“
                Der Workshop war längst zu Ende. Doch noch war kein Ende seiner Leiden in Sicht. Seine Rückenmuskulatur war verspannt, sein Nacken brannte wie nach einem Brennnesselbad. Wie der Rest der Ritter hatte seine Eminenz beim „Versöhnungsmahl“ geschwiegen. Er saß wie ein orientalischer Potentat am Kopfende des hufeisenförmigen Tisches und behielt von dort die tafelnden „Kreuzritter“ im Auge. Nun erhob er sich, brach wie dereinst Jesus beim letzten Abendmahl einen Brotlaib entzwei und reichte die Stücke den neben ihn sitzenden Jüngern. Seine vor hohlem Pathos triefende Stimme hallte von den Wänden:
                „Tuet dies zu seinem Gedächtnis. Ex Deo nascimur, in Jesu morimur, per spiritum reviviscimus!“
                Mit zeremoniöser Geste hob er einen goldglänzenden Weinkelch empor, trank daraus und sprach als ob er seine Lippen am heiligen Gral genetzt hatte:
                „Dies ist das Blut des Löwen, das Blut des Stiers, der Nektar des Lebens!“
                Im Saal herrschte erwartungsvolle Stille. Die Ritterbrüder kauten mürrisch an den trockenen Brotbrocken. In den hinteren Reihen begannen die Brüder untereinander zu tuscheln. Das Raunen und Murren der Hinterbänkler war unüberhörbar. Simon spitzte die Ohren. Die Zwischenrufe klangen erregt und aufgebracht:
                „Es ist unerhört, diese Vorgänge sind skandalös!“
                „Will man uns hier für dumm verkaufen?“
                „Der Bruderrat hat Recht getan, Rechenschaft zu fordern!“
                Die Spannung im Raum war mit Händen zu greifen. Da erhob sich die mahnende Stimme des Meisters:
                „Sub rosa, Brüder! Jesus mihi omnia! Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen. Das gebietet der heilige Eid des Harpokrates!“
                Des jungen Horus? Simons Sinne waren plötzlich hellwach. Harpokrates war der griechische Name für Hor-pa-chered, dem ägyptischen Sonnenkind, dem Sohn der Isis. Ein Sohn, der für die Kopten niemand anders sein konnte als das Jesuskind.
     
    Im Saal war gespenstische Ruhe eingekehrt. Es war so still, dass man einen Reißnagel hätte fallen hören. Die Ritter Christi schwiegen eisern, doch ihre missmutig, missbilligenden Mienen sprachen Bände. Simon glaubte zu wissen, was die Brüder in Rage versetzte. Der springende Punkt war ganz unten auf der Tagesordnung versteckt:
                „Neuwahl des Schatzmeisters und Kassenwarts.“ Die Neuwahl war nötig geworden, da der bisherige Finanzchef der Fraternität unerwartet verstorben war. Vronis akribische Recherchen hatten ergeben, dass die armen Ritter gar nicht so arm waren. Zumindest bevor Dechant Dirrigl vor zwei Jahren die Verantwortung für die Kassen und Konten der Vereinigung übernommen und einige gewagte, hochspekulative Finanzgeschäfte getätigt hatte. Jedenfalls hatte die Staatsanwaltschaft Erchtenhall Ermittlungen wegen Untreue und Steuerhinterziehung eingeleitet. Pikanterweise hatte Dirrigl seine Doppelfunktion als Schatzmeister der „armen Ritter“ sowie als Restaurabis-Vorstand dazu verwandt, Millionensummen von den Vereins- und Verbandskonten abzuzweigen und über den Osteuropa-Hilfsfonds in obskure Anlagegeschäfte und dubiose Private Equity-Gesellschaften zu investieren. Angeblich hatte niemand – weder der Stiftungs- und Verwaltungsrat des Hilfswerks noch der Bruderrat – etwas von den waghalsigen Finanztransaktionen gewusst. Mit der erwartungsvollen, Lob und Lohn erwartenden Miene eines dienstbaren Geists hatte ihm Vroni einen Stoß Akten auf den Schreibtisch geknallt:
                „Lesestoff! Kurz gesagt kommen die Paragrafenfuchser nach über 200 Seiten in verklausuliertem Juristendeutsch zum Schluss, dass ein begründeter Verdacht auf Veruntreuung und Unterschlagung von Spendengeldern und Stiftungsvermögen vorliegt.“
                Die Staatsanwaltschaft

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