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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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beseitigen. Die Natur hatte das übrige getan, um das verlassene Terrain zurückzuerobern. Von den Nazi-Bauten auf dem Obersalzberg waren nur vergilbte, braunstichige Fotos und ein paar mehr oder wenige sentimentale Erinnerungen geblieben: Die Verwaltungsgebäude und Kasernen, die Barackenlager des RAD, die Villa Görings, ja selbst das „Kampfhäusel“ waren der Spitzhacke zum Opfer gefallen und bis zu den Grundmauern abgetragen worden. Im Angesicht der gewaltigen Felsriesen erschienen die Metamorphosen von Menschenhand indes wie ein flüchtiger Reflex im Zerrspiegel der Zeit.
                Paintinger starrte mit müdem, resigniertem Blick ins neblige Nichts. Er war ein alter Mann geworden, ein Fremder im eigenen Land. Mit einer fahrigen Bewegung strich er sich eine Strähne aus der Stirn. Das Sinnieren und Grübeln ließ ihn depressiv, schwermütig werden. Es war sinnlos der Vergangenheit nachzuhängen und kontradiktorische Kausalsätze aufzustellen:
                „Was, wenn die Nazis den Krieg gewonnen hätten?“
                Das Leben war ein Spiel, ein Spiel bei dem sich das Schicksal nicht in die Karten schauen ließ. Paintinger machte sich auf den Weg. Ein verlorener, vergessener Held, der vom Leben wenig mehr als den Tod zu erwarten hatte.
     

Der Jünger des Judas
    Natura non facit saltus! Die Natur macht keine Sprünge !
     
    In punkto „Sprünge machen“ glich das Alter der Natur: Der „Panther“ kroch mit der Behändigkeit eines kreuzlahmen, fußkranken Faultiers vom Fahrersitz:
                „Kreuz Kruzifix! Dieser Scheiß Ischiasnerv! Zum Mond fliegen können Sie, aber gegen ein wehes Kreuz erfinden Sie nix!“
                Paintinger patschte mit den Stiefeln durch den Matsch, tapste wie ein bis 7 angezählter Preisboxer in der letzten Runde um seinen Geländewagen, um zur Beifahrertür zu gelangen. Sein Rücken war unnatürlich verkrümmt, sein feuerrotes, von überhöhten Blutdruckwerten kündendes Gesicht war Schmerz verzerrt:
                „Zefix, Kruzitürken! Was bildet sich dieser Dreckhammel eigentlich ein? Wenn er meint, dass er schon der Chef im Haus ist, hat er sich sauber geschnitten!“
                Paintinger begutachtete mit mordlüsternen Blicken die Sauerei: die cremeweißen Lederpolster waren mit unansehnlichen Öl- und Fettflecken beschmiert. Die Krebsröte seines Gesichts wurde noch eine Stufe dunkler:
                „Die Drecksau häng ich am Fleischerhaken auf!“
                Pankraz hatte den Bogen überspannt, den Rubikon überschritten. Zulange hatte er Nachsicht mit seinen Neffen walten lassen. Damit würde nun Schluss sein. Eine solch infame Freveltat durfte nicht ungesühnt bleiben. Es gab Dinge die waren heilig, die waren sakrosankt – und dazu zählte, sein chromblitzender, nach allen Regeln der Tuner-Kunst auffrisierter Allradjeep! Das Gefährt mit den extrabreiten Stollenreifen, dem achtzylindrigen 400 PS-Turbomotor war für ihn der Inbegriff von Prestige und Allmacht.
                Wenn er mit seinem metallic glänzenden Boliden auf Spritztour ging, zog er die neidischen Blicke an wie ein Magnet das Metall. Keiner, kein einziger in der ganzen Sauschwanz-Burschenschaft konnte mit ihm in punkto Hubraum und PS mithalten. Neben seinem Offroad-Ungetüm sahen ihre pomadigen Protzkarossen und Salonschlitten, ihre 7er BMWs und S-Klasse Mercedes einfach nur mickrig und knickrig aus.
                Paintinger wusste was er seinem Ruf als König der Forststraßen und Schotterpisten schuldig war. Jedes Jahr ließ er sein Stahlross beim Himmelhamer Leonhardiritt mit Weihwasser besprengen und vom Pfarrer segnen. Schaden konnte es schließlich nicht, wenn ein Schutzengel über ihn wachte, wenn er mit Tempo 200 über die Autobahn düste.
                Paintinger bückte sich, um die Heckklappe zu öffnen. Da erstarrte er mitten in der Bewegung, verharrte in der unnatürlich verkrümmten Haltung. Es war ihm, als ob jemand mit einem glühenden Skalpell in seinen Lendenwirbeln herumstocherte. Er biss die Zähne zusammen, bis die Kieferkochen knirschten. Kein Schrei, kein Laut drang über seine Lippen: Ein Trapper kannte keinen Schmerz! Endlich ließ der Schmerz nach. Resolut schob er  die leeren Bierträger beiseite und hob die Plane hoch. Was er sah ließ seinen Atem stocken. Auf der Ladefläche lagen zwei Rollen Stacheldraht und ein paar wie zur

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