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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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Vampirjagd angespitzte Holzpflöcke. Die Falten seines Gesichts zogen sich wie eine Ziehharmonika zusammen. Seine Haut bekam einen ungesunden, zwischen Zinnoberrot und dem Purpur römischer Senatoren changierenden Farbton. Sein Hals schwoll an, als ob dort drin eine ganze Froschfamilie Ostern feierte. Seine ohnmächtige Wut, seine empörte Ohnmacht entlud sich in einem lauten Aufschrei:
                „Dieser Flachwurzler! Ich dreh ihm den Kragen um.“
                Beim Stammtisch vorige Woche hatte ihm Pankraz hoch und heilig versichert, dass er den Weidezaun am Leitengraben noch die Tage reparieren würde. Und was war geschehen? Nichts! Dieser Schweinepriester, dieser scheinheilige Judasjünger hielt ihn wohl für einen senilen, dementen Idioten. Der Panther fletschte seine Raubtierzähne:
                „Du Speibdreck! Aus dir mach ich Hackschnitzel!“
                Pankraz war und blieb ein Gauner und Ludrian, bei dem alle Liebesmühe umsonst, bei dem Hopfen und Malz verloren war.
                Pankraz Pantaleon Paintinger war Gustls außerehelich gezeugter Sprössling. Auf dem Totenbett hatte er seinem Onkel feierlich versprochen, den verzogenen Bankert unter seine Fittiche zu nehmen. Er hatte den faulen, ungezogenen Bengel auf die besten Privatschulen geschickt, hatte ihn ein renommiertes Internat gesteckt, um ihm zumindest eine rudimentäre Allgemeinbildung zu vermitteln, seine musischen Talente zu fördern und ihm ein Mindestmaß an Anstand und Manieren beizubringen. Die Investitionen in seine Ausbildung hatten jedoch keine Rendite abgeworfen, sprich er hätte das Geld genauso gut im Spielcasino verpulvern oder mit ein paar willigen Hostessenhasen und vollbusigen Massagemaiden durchbringen können. 
                Pankraz war ein Totalversager. Im Aufsichtsrat der Paintinger-Holding glänzte er durch Abwesenheit, die hoch dotierte Position eines Junior Managing Directors nutzte er dazu, das Geld für maßgeschneiderte Klamotten, Gucci-Schlappen, Cartier-Chronometer, fette Klunker und billige Flittchen hinauszuwerfen und immer neue Schuldenberge anzuhäufen. Pankraz war und blieb ein eigensinniger, uneinsichtiger, ungehobelter Trotzkopf, der sich gegen alle Belehrungs- und Bekehrungsversuche sperrte und sich als beratungsresistent erwies. Sein geistig, gesellschaftlicher Horizont beschränkte sich auf die Kameradschaftsabende des Schützenvereins Arbing, die „Symposien“ der Waldbauernvereinigung und die „Kolloquien“ der Friedlassinger Fleckviehhalter. In der Firma schien er ausschließlich daran interessiert zu sein, sich mit unausgegorenen, täppischen Rationalisierungskonzepten unbeliebt zu machen und mit seinem schnöseligen, rüpelhaften Benehmen langjährige Geschäftspartner zu vergraulen. Seit er in einem Nebenflügel des von ihm aufgebauten, bäuerlichen Musterguts logierte, wähnte sich „PPP“ am Ziel. Pankraz sonnte sich im Glanze künftiger Großtaten und hielt sich im Hochgefühl seines Größenwahns für einen Spitzenmanager, für ein merkantiles Mastermind. Er selbst hatte durchsickern lassen, dass er seinen Neffen für einen Vorstandsposten nominieren wolle. Solche gezielt gestreuten Gerüchte sorgten für Unruhe und hektische Betriebsamkeit in der Führungsetage. Hinter den Kulissen war ein Machtkampf entbrannt, der ihm zu einer Atempause verhalf. Während sich die Leitwölfe um die fettesten Fleischstücke balgten und sich gegenseitig an die Gurgel sprangen, kamen Sie nicht auf die Idee ihn gänzlich zu entmachten. In Wahrheit dachte er nicht im Traum daran, den renitenten Querulanten, den aufgeblasenen Nichtsnutz eine Schlüsselposition anzuvertrauen, geschweige denn ihn zum Kronprinzen zu designieren. Pankraz war ein Popanz, ein Schreckgespenst, der dazu diente eine Drohkulisse aufzubauen, der im Kasperltheater als Räuber Hotzenplotz agierte – und nicht mehr.
     
    Es regnete Bindfäden. Paintinger hüllte sich in eine Pelerine, schulterte Rucksack und Stutzen und machte sich mit grimmiger Miene an den Aufstieg. Ringsum dampfte es vor Feuchtigkeit, wuchs und wucherte es wie in einem Treibhaus. Die vertrauten Umrisse der Kuppen und Kämme verschwammen im Nebeldunst. Schmale Rinnsale waren auf dem besten Weg sich in reißende Urwaldströme zu verwandeln. Mit aller gebotenen Vorsicht überquerte er auf zwei nassen, schmierseifenglatten Holzbohlen den unter ihm schäumenden Rissbach. Auf der anderen Seite des Bachlaufs

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