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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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möglichen Erklärungen, nach dem tieferen „Grund“ für die brutale Tat, für das bestialische Blutbad:
                „Hat der Wahnsinn Methode? Will uns der Täter auf eine falsche Fährte locken?“
                Er verstummte, hörte die schabenden, schnarrenden Geräusche des vorsintflutlichen Bandgeräts. Er konnte sich des Verdachts nicht erwehren, dass der Mörder ein Fuchs, ein Filou war, der genau wusste was er tat! Am Ende ging es ihm einzig und allein darum, den Verdacht auf eine Clique mephistophelischer Kainsjünger, eine imaginäre Bande blindwütiger Templerbrüder zu lenken? Der Legende nach hatten die rebellischen Ritterbrüder bei ihren Initiationsriten die Arma Christi bespuckt und buchstäblich auf das Kreuz Christi geschissen. Für die Tempelritter stellte die Verehrung des Kreuzes ein Sakrileg, eine Verhöhnung des Heilands dar. Stellte sich die Frage, wieso der Täter ausgerechnet auf die abstruse Idee verfallen sein sollte, den Mord einer nur in der Phantasie hart gesottener Verschwörungstheoretiker existierenden Bruderschaft in die Schuhe zu schieben? Es erschien Simon mehr als fraglich, ob irgendeiner der im Mordfall P ermittelnden Beamten die Möglichkeit in Betracht zog, dass ein vor 700 Jahren liquidierter Ritterorden im Hier und Jetzt zum Kreuzzug blies. Es sei denn, in nächster Zeit wimmelte es von „Gekreuzigten“. Simon präludierte im Stil eines Boulevard-Feuilletonisten:
                „Das Comeback der Kreuzritter: die Templer und die Toten!“
                 Da holte ihn ein dissonanter Klingelton aus den glorreichen Zeiten der Tempelritter zurück in die Anonymität der Gegenwart.
     
    Die holprige Schotterpiste führte geradewegs nach Nirgendwo. Seit über einer Stunde kurvten Sie scheinbar ziellos zwischen Grashügeln und Waldbüheln herum. Viehkoppeln, Hecken und Fichtenflecken wechselten sich in gleichförmiger Monotonie ab. Die Himmelskuppel war wie mit samtweichem, königsblauem Damast bezogen. Das majestätische Blau erglühte unter den Hufen der über den Himmel galoppierenden Feuerrosse. Auf seinem Weg zum Horizont ließ Helios die Hügelhänge in zarten Kupfer- und Goldtönen aufscheinen. Verzückt rief Vinzenz aus:
                „Ach dieses herrliche Licht! Dieser göttliche Glanz, diese magische Aura!“
                Simon bedachte seinen Chauffeur mit scheelen Seitenblicken:
                „Wo wollen wir eigentlich hin? Bist vorhin falsch abgebogen?“
                Vinzenz kniff die Augen zusammen, blinzelte gegen die tief stehende Sonne:
                „Wir müssen nur noch über den Hügel, dann sind wir da!“
                An dem Steilanstieg klapperten die Ventile der schrottreifen Rostmühle wie die Zähne eines im ewigen Eis festsitzenden Polarforschers. Insgeheim rechnete Simon jeden Augenblick damit, dass die Karre schlapp machte und Sie mitten in der Pampa stundenlang auf Godot, respektive den Abschleppdienst warten durften. Vinzenz schien ihre „archäologische Exkursion“ jedoch in vollen Zügen zu genießen. Vergnügt trommelte er auf der Lenksäule herum, krakeelte ohne sich um Melodie oder Metrik des nihilistischen Triumphmarsches zu bekümmern:
                „We’re on a road to nowhere! C’mon inside!“
                Fatalerweise hatte ihm sein alter, mit Taubheit geschlagener Musiklehrer vor mehr als zwanzig Jahren eingeredet, dass er das Zeug zum Heldentenor, zum Vokalvirtuosen habe. In Wahrheit traf Vinzenz keinen einzigen Ton, hatte er nicht die geringste Ahnung von Kadenzen und Koloraturen: sein disharmonisches Gejohle, sein grauenvolles Kojotengeheul war ein Grauen für jeden, der auch nur einen Funken Musikverstand besaß:
                „We’re on a road to Nowhere! Go take a ride!“
                Simons Nackenhärchen sträubten sich, zitterten wie Kornähren in Erwartung des Orkans. Um das Maß voll zu machen, plärrte Vinzenz als ob er es mit einem Schwerhörigen zu tun hatte:
                „Weißt du, für mich ist Musik Magie! Diese harmonischen Wendungen, das glanzvolle Glissando! Stell dir vor, jedes Atom schwingt in seiner eigenen Frequenz. Pythagoras hatte Recht: Die Himmelssphären, ja das ganze Universum ist ein einziger, gewaltiger Resonanzkörper. Diese sphärischen Klänge sind der Schlüssel zur hermetisch, hermeneutischen Spiritualität. Schreit doch

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