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Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition)

Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Flynn
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aber:
    »Am Nähtag gab es mal einen Zwischenfall mit Ann.« Nähtag, also immer noch. Irgendwie tröstlich. Oder nicht? »Sie stach Natalie Keene ihre Nadel in die Wange. Ich glaube, sie hat aufs Auge gezielt, wie Natalie es mit dem Mädchen in Ohio gemacht hat.«
Philadelphia.
»Gerade saßen die beiden noch brav nebeneinander – sie waren nicht befreundet, gingen in verschiedene Klassen, aber Nähen wird für alle angeboten. Ann summte vor sich hin, sah aus wie ein Hausmütterchen. Dann passierte es.«
    »Wie schlimm war Natalie verletzt?«
    »Nicht sehr. Ich und Rae Whitescarver, die Lehrerin der zweiten Klasse … du kennst sie doch, oder? Geborene Rae Little, war ein paar Klassen unter uns. Ganz schön dick, hat aber inzwischen abgenommen. Jedenfalls rissen ich und Rae die Kleine weg, und Natalie hatte die Nadel in der Wange stecken, nur wenige Zentimeter unter dem Auge. Hat nicht geweint und gar nichts. Schnaufte bloß wie ein wütender Gaul.«
    Ich sah Ann mit ihrem schiefen Haarschnitt, wie sie die Nadel durch den Stoff führte und sich an eine Geschichte über Natalie und ihre Schere erinnerte, an die Gewalttätigkeit, die sie so anders machte. Und bevor sie recht überlegt hatte, stach Nadel in Fleisch, müheloser als erwartet, traf mit einem raschen Stich den Knochen. Natalie mit einem Metallspeer in der Wange, einer winzigen silbernen Harpune.
    »Und Ann hat es ohne Grund getan?«
    »Was die beiden betraf, habe ich eins gelernt: Sie brauchten keinen Grund, um jemanden anzugreifen.«
    »Wurden sie von den anderen Mädchen gehänselt? Standen sie unter Stress?«
    »Ha, ha!« Sie wirkte aufrichtig überrascht, doch ihr Lachen klang gekünstelt. So als säße deine Katze dir gegenüber und sagte tatsächlich »Miau«.
    »Na ja, sie gingen nicht gerade begeistert zur Schule«, sagte Katie. »Aber darüber solltest du lieber mit deiner kleinen Schwester sprechen.«
    »Du hast schon mal erwähnt, Amma hätte sie schikaniert …«
    »Gott steh uns bei, wenn sie erst die Highschool heimsucht.«
    Ich wartete darauf, dass Katie Lacey Brucker richtig in Fahrt kommen und mehr über meine Schwester erzählen würde. Sie hatte gewiss nichts Gutes zu berichten. Kein Wunder, dass sie sich so über meinen Besuch gefreut hatte.
    »Weißt du noch, wie wir die Calhoon regiert haben? Was wir cool fanden, war cool; wenn wir jemanden nicht leiden konnten, war er out.« Sie hörte sich an, als träumte sie von märchenhaften Zeiten, einem Land voller Eiscreme und Hoppelhäschen. Ich erinnere mich an eine besonders grausame Aktion meinerseits: Ein überernstes Mädchen namens LeeAnn, eine alte Freundin aus der Grundschule, hatte sich zu sehr um meine geistige Gesundheit gesorgt und angedeutet, ich könne depressiv sein. Eines Tages kam sie vor dem Unterricht herübergehuscht, Bücher unter dem Arm, in einem blöd gemusterten Rock, den Kopf gesenkt wie immer, wenn sie mich ansprach. Ich kehrte ihr den Rücken, wandte mich zu den Mädchen, mit denen ich dastand, und riss einen Witz über ihre konservative Kleidung, die nach Sonntagsgottesdienst aussehe. Die Mädchen machten sofort mit. Den Rest der Woche wurde sie von allen gehänselt. In den letzten beiden Schuljahren ging sie mit den Lehrern zum Essen. Ein Wort von mir hätte genügt, aber ich musste sie mir vom Leibe halten.
    »Deine Schwester ist dreimal so schlimm wie wir. Hat was richtig Gemeines.«
    »In welcher Hinsicht?«
    Katie holte ein Päckchen Zigaretten aus der Tischschublade und zündete sich eine mit einem langen Kaminstreichholz an. Rauchte noch immer heimlich.
    »Sie und ihre blonden Tittenschwestern beherrschen die ganze Schule, und Amma beherrscht sie. Ehrlich, es ist schlimm. Manchmal witzig, meist aber schlimm. Sie lassen sich von einem dicken Mädchen jeden Tag das Essen holen, und bevor sie geht, muss sie etwas essen, ohne die Hände zu benutzen. Sie steckt einfach das Gesicht rein.« Katie rümpfte die Nase, schien ansonsten aber ungerührt. »Ein anderes Mädchen haben sie in die Ecke gedrängt. Sie musste ihr T-Shirt hochziehen und die Jungs gucken lassen, weil sie so flach war, und dabei schmutzige Wörter sagen. Es heißt, sie hätten eine Freundin namens Ronna Deel, mit der sie sich zerstritten haben, zu einer Party mitgenommen, sie betrunken gemacht und … na ja, ein paar älteren Jungs als Geschenk überreicht. Haben vor dem Zimmer Wache gestanden, bis die mit ihr fertig waren.«
    »Sie sind gerade mal
dreizehn
«, sagte ich. Und dachte daran,

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