Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
hundert Jahre alt, renoviert und lag mitten im French Quarter. Im Vergleich zu Petruskys Wohnung war es das Paradies.
Eve und Cole checkten ein. Dabei versuchte Eve sich einzureden, es sei keine große Sache, dass sie mit Cole hier war – schließlich brauchte sie seine Kraft, seine Wachsamkeit, seinen Scharfsinn. Ach, um Himmels willen –
brauchte
sie ihn denn tatsächlich?
Ein Teil von ihr schrie laut und nachdrücklich:
Nein.
Sie war nicht die Sorte Frau, die sich von einem Mann abhängig machte, schon gar von einem manipulierenden, eiskalten Lügner.
Ein anderer Teil von ihr sagte:
Ja, zum Kuckuck, du brauchst ihn! Er gibt dir Kraft und hilft dir, die Dinge klarer zu sehen. Er ist schlau, intelligent, vielleicht sogar gerissen. Ja, er hat gelogen, um sich selbst zu schützen, aber seit er wieder in dein Leben getreten ist, hat er sich immer und immer wieder bewährt. Du musst den Kerl ja nicht heiraten. Es reicht, wenn du ihm ein bisschen vertraust. Du brauchst ihn wirklich.
Sie war immer noch wütend auf Cole, keine Frage, doch sie entschied sich, pragmatisch vorzugehen. In seiner Nähe fühlte sie sich einfach sicherer. Sie würden also diese Nacht gemeinsam verbringen, und sie würde versuchen, die romantische Atmosphäre des hübschen Zimmers mit Gaskamin, Doppelbett und Fenstertüren, die auf eine Veranda hinausführten, zu ignorieren.
Kleinlaut musste sie sich eingestehen, dass sie sich besser für ein nüchternes, adrettes Motel am Freeway hätte entscheiden sollen. Es wäre billiger gewesen und ganz sicher auch weniger geeignet, romantische oder sexuelle Phantasien wachzurufen.
»Hast du Hunger?«, fragte Cole, nachdem er die Taschen vorm Bett abgestellt hatte.
»Wie ein Wolf.«
»Komm, suchen wir ein Restaurant.«
Er kannte ein italienisches Lokal einen Straßenblock weiter an der Bourbon Street. Während sie aßen, gelang es ihnen irgendwie, sich auf leichte Konversation zu beschränken und nicht an die Toten und das Grauen der letzten Tage zu denken. Cole kaufte noch eine Flasche Wein, die sie im Zimmer trinken wollten. Eve ahnte zwar, dass es verheerende Auswirkungen haben könnte, wenn sie mit Cole vorm Kamin ein Gläschen Riesling trank, doch sie erhob keine Einwände.
Verlier nur nicht den Kopf,
ermahnte sie sich. Leider schien das manchmal, wenn sie mit Cole zusammen war, schlicht unmöglich zu sein.
Wieder in ihrem Zimmer angekommen, zog Eve die Schuhe aus.
Cole entkorkte die Flasche und hatte gerade jedem ein Glas eingeschenkt, als Eves Handy klingelte.
»Lass es klingeln«, schlug Cole vor.
Sie warf einen Blick aufs Display und sah den Namen ihrer Schwägerin. Erleichtert klappte sie das Handy auf. »Anna Maria! Wo bist du? Geht’s dir gut?«, fragte sie und suchte Coles Blick.
»Ja … alles in Ordnung. Ich bin unterwegs.« Anna Marias belegte Stimme strafte ihre Worte Lügen. »Aber was ist mit dir? Herrgott, Eve, ich habe gerade gelesen, was passiert ist. Wie geht es
dir?
«
»Wie man’s nimmt … größtenteils aber doch gut«, sagte Eve, während sie sich in einen Sessel am Kamin setzte und die Beine unterschlug. In den Zeitungen und Nachrichtensendungen war nur vage über den Vandalismus in ihrem Haus berichtet worden, da die Polizei der Presse einige Details vorenthalten hatte. Eve durfte ihrer Schwägerin ebenfalls nicht die ganze Geschichte erzählen, sie sagte ihr jedoch, wo sie sich aufhielt und dass sie erst wieder in das Haus einziehen würde, wenn alles gereinigt und besser gesichert war.
»Das kann ich gut verstehen«, sagte Anna leise.
Cole ging diskret auf die Veranda hinaus und schloss die Fenstertüren hinter sich, damit Eve ungestört telefonieren konnte. Von ihrem Platz im Sessel aus sah sie, wie er sich auf das schmiedeeiserne Geländer stützte und auf die Straße hinunterschaute. Ihr Blick wanderte über seinen Rücken und verweilte einen Moment lang auf seinen jeansbekleideten Schenkeln und dem festen Hintern.
Als ihr bewusst wurde, was sie da tat, wandte sie sich rasch ab und sah stattdessen in den Kamin, wo gelbe Gasflammen an verkohlten Keramikscheiten leckten. »Wo steckst du eigentlich? Ich bin fast umgekommen vor Sorge!«
»Ich … beziehungsweise wir, Kyle und ich, waren in einem Motel. Das heißt, er war eine Zeitlang mit mir dort«, erklärte ihre Schwägerin. »Und ich habe gezögert, mich zu melden, weil ich schlechte Nachrichten habe.« Sie legte eine kleine Pause ein. Eve hörte einen tiefen Atemzug; wahrscheinlich rauchte Anna
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