Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
Maria. Eve wagte kaum zu atmen. Noch mehr schlechte Neuigkeiten? Sie machte sich auf alles gefasst. Schließlich sagte Anna ernst: »Kyle und ich trennen uns.«
»Oh …« Eve wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte. Es war eine gewisse Ernüchterung. Eine willkommene Ernüchterung, doch sie spürte, wie sehr Anna litt.
»Ich weiß, es ist ein Schock. Auch für mich, aber er will es so. Er braucht seinen Freiraum, was immer das heißen soll. In den letzten paar Tagen haben wir nur noch gestritten. Wie Hund und Katz. All diese alte unterdrückte Wut … Es war einfach schrecklich.« Ihre Stimme klang erstickt. »Wenn wir uns zusammensetzen, um alles zu besprechen, eskaliert spätestens nach ein paar Stunden der Streit wieder, und einer von uns geht. Es ist eine Achterbahn der Gefühle – kaum dass ich mir wieder Hoffnungen mache, kommt der nächste Rückschlag. Letztendlich muss ich mich wohl damit abfinden, dass es einfach nicht klappt mit uns. Ich bin nicht mal sicher, ob es zwischen uns noch so etwas wie Zuneigung gibt, ganz zu schweigen von Liebe.« Ihre Stimme versagte. Nach einer Pause fügte sie leise schniefend hinzu: »Sosehr es mir widerstrebt, ich kann nichts dagegen tun. Ich … Ach Gott … Es würde mich nicht wundern, wenn eine andere Frau im Spiel wäre. Er schwört zwar, dass er keine Affäre hat, aber was heißt das schon?«
»Es tut mir so leid, Anna.«
Insgeheim fand Eve allerdings, eine Scheidung sei wohl nicht das Schlechteste. Vielleicht würde Anna danach jemanden finden, der besser für sie war als ihr, Eves, bescheuerter Bruder. Doch davon wollte Anna im Augenblick sicher nichts hören. »Ich wünschte, ich könnte irgendetwas für dich tun.«
»Ich wüsste nicht, was.« Jetzt weinte Anna hemmungslos.
»Es hat eure Beziehung zusätzlich strapaziert, dass ich so lange bei euch gewohnt habe.«
»Das war doch nicht lange, und außerdem – wofür hat man schließlich eine Familie.«
»Sag mal, Anna, wo bist du im Augenblick? Ich finde, du solltest jetzt nicht Auto fahren. Ich bin in einem Gasthaus in der Innenstadt. Du könntest entweder herkommen, oder wir« – sie warf wieder einen Blick in Coles Richtung – »oder ich hole dich ab.«
»Nein, lass nur … Ich komme schon zurecht.«
»So hörst du dich aber nicht an. Komm schon, du kannst heute Nacht hier bei mir bleiben. Wir können über alles reden oder auch nicht, aber ich will nicht, dass du jetzt allein bist.«
»Ich komme zurecht.« Wieder schniefte sie laut. »Ich brauche keinen Babysitter. Natürlich bin ich deprimiert, aber nicht selbstmordgefährdet oder so.«
»Anna …«
»Ich bin auf dem Weg nach Hause. Mein wunderbarer Mann hat beschlossen, eine Weile bei Van ›unterzukriechen‹, so hat er sich ausgedrückt. Er spricht auch davon, sein Geschäft nach New Orleans zu verlagern, aber damit würde er viele seiner Stammkunden verlieren. Herrgott, was denkt er sich eigentlich?«
»Kehr doch um! Du kannst bei mir wohnen, bis klar ist, wie es jetzt bei dir weitergeht.«
»Wenn du wieder in dein Haus einziehst? Danke, aber nach allem, was geschehen ist, solltest du das Ding einfach verkaufen. Ich begreife nicht, dass du dorthin zurück willst.« Sie lachte kurz auf. »Ich muss jetzt Schluss machen. Ich rufe dich morgen noch mal an, wenn ich Zeit zum Nachdenken hatte. Verdammt, ich werde wohl einen Anwalt brauchen. So viel zum Thema ewige Liebe, wie?«
Eve murmelte eine Antwort und legte auf. Sie blickte durch die trüben Fensterscheiben auf die Veranda hinaus, wo Cole stand.
Ewige Liebe.
Sie glaubte eigentlich nicht, dass es so etwas gab.
Vielleicht würde sie es heute Nacht erfahren. Vielleicht würde sie Cole heute Nacht in ihr Herz einlassen. Eve sah sich nach dem Bett um. Sie beide hatten so viel Zeit mit Wortgefechten, Streit und Misstrauen vergeudet. Heute Nacht, dachte sie, würde alles anders sein. Sie würde einen Teil ihrer Schranken fallenlassen. Sie zog den Gürtel ihres Bademantels fester, trat hinaus auf die Veranda und legte die Arme um Coles Taille.
»Hey, was ist das denn?« Er drehte sich um und sah ihr ins Gesicht.
Sie lächelte und zog eine Augenbraue hoch. »Tja, wenn du deine Trümpfe richtig ausspielst, könnte ›das‹ womöglich deine Glücksnacht sein.«
Spät in der Nacht lag er im Bett und schloss die Augen.
Er war müde, brauchte Schlaf. Doch er war überdreht. Besorgt. Er kaute an den Fingernägeln. Biss einen ab und spuckte ihn in den Papierkorb neben seinem
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