Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
nach dem wir die ganze Zeit vergebens suchen?« Er schüttelte den Kopf. »Aber warum sollte er Ronnie Le Mars umlegen?«
»Gute Frage.« Bentz kaute ein paar Magentabletten und ging nach draußen. Nach dem stickigen Inneren der Hütte war die klare Regenluft herrlich erfrischend. »Er muss gewusst haben, dass Le Mars sich hier aufhielt. Sonst wusste es niemand.«
»Außer dem anonymen Anrufer«, gab Montoya zu bedenken und kratzte seinen Kinnbart. Auf dem Weg zu ihrem Streifenwagen passierten sie weitere Fahrzeuge und Ü-Wagen, die inzwischen eingetroffen waren.
Bentz war nicht in der Stimmung, sich mit Journalisten herumzuschlagen. Zum Glück wehrte bereits ein Sprecher des FBI die Fragen zweier Reporter ab.
Als sie beim Wagen ankamen, klingelte Bentz’ Handy. Die angezeigte Rufnummer verriet, dass der Anruf vom Kloster Our Lady of Virtues kam.
»Detective Bentz hier.«
»Hallo, Detective. Hier spricht Schwester Odine vom Kloster.«
Sie kam gleich zur Sache. »Sie hatten mich doch gebeten, Sie zu benachrichtigen, falls hier jemand auftaucht – nun, beim Friedhof steht ein Fahrzeug geparkt. Ein roter Volkswagen Jetta, glaube ich. Ich habe mir das Kennzeichen notiert.«
»Wie lautet es?«, fragte Bentz, doch er konnte die Worte der Nonne kaum verstehen, so laut war plötzlich das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren. Sie nannte die Autonummer und bestätigte damit, was der Detective bereits ahnte: Der Jetta gehörte seiner Tochter.
»Wir sind schon auf dem Weg. Bitte warten Sie am Haupttor des Klosters auf uns – wir werden die Schlüssel zur Klinik brauchen.« Er stieg an der Beifahrerseite des Streifenwagens ein. »Wie lange brauchst du zum Our Lady of Virtues?«
»Zwanzig Minuten«, sagte Montoya und ließ den Motor an. »Vielleicht mehr, vielleicht weniger.«
»Versuch’s in zehn.«
»Warum?«, fragte Montoya, während er aufs Gas trat und das Steuer herumriss. »Was ist passiert?«
Der Streifenwagen machte einen Satz nach vorn.
»Kristi ist dort.« Bentz drückte die Kurzwahltaste für die Nummer seiner Tochter und wartete, auch wenn er wenig Hoffnung hatte, dass sie sich melden würde. Zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit schickte er ein Stoßgebet zum Himmel.
Gott, beschütze sie!
Das Rufzeichen ertönte.
»Kristi!«, sagte er. »Kristi!«
Doch sie meldete sich nicht.
Das Handy signalisierte den Eingang einer SMS .
Bin in der Anstalt OLOV . Nicht allein. Schickt Hilfe. K.
Cole trat das Gaspedal seines Jeeps durch, als sei der Teufel persönlich hinter ihm her. Während die Scheibenwischer gegen den Regen ankämpften, quälte Cole sich mit Selbstvorwürfen. Warum hatte er Eve nur allein zu dieser Bar fahren lassen? Er hatte doch gewusst, dass es gefährlich war. Er hätte darauf bestehen müssen, sie zu begleiten, auch wenn sie sich dagegen sträubte. Jetzt hatte er sie womöglich für immer verloren! Gerade jetzt, nachdem sie so viele Hürden bewältigt hatten und endlich wieder zusammen waren. Er dachte an die letzte Liebesnacht mit ihr im Hotel und biss die Zähne so krampfhaft zusammen, dass es schmerzte.
Jetzt konnte er sich nur noch auf seinen Instinkt verlassen.
Er besaß keine Waffe, nur das Werkzeug auf dem Rücksitz.
Cole zweifelte nicht daran, dass dieser Wahnsinnige Eve in seine Gewalt gebracht hatte, doch er hatte keine Ahnung, wohin er sie verschleppt, was er ihr angetan haben mochte. Im Geiste sah er Bilder von Roy Kajaks entstellter Leiche vor sich, dann die tote Schwester Vivian, nackt, und die Puppe auf dem blutgetränkten Bett.
Er musste die Botschaft entschlüsseln, die der Mörder ihnen mit seinen Hinweisen übermittelt hatte, das war seine einzige Hoffnung. Die Palindrome und die Zahlen.
Im Rhythmus der quietschenden Scheibenwischer dachte er:
101 , 212 , 111 , 444 , 323 , Eve, Renner, Kajak, Viv, Dad.
Er war überzeugt, dass die Zahlen sich auf Zimmer im Our Lady of Virtues bezogen, und er beabsichtigte, sich diese Zimmer anzusehen und herauszufinden, was es damit auf sich hatte. Irgendwie würde er das Puzzle zusammensetzen. Er hatte keine andere Wahl, und er spürte mit jedem Atemzug, wie ihm die Zeit davonlief.
Eve öffnete mühsam die Augen.
Wo zum Teufel war sie, und warum drehte sich alles?
Sie lag auf dem Rücken in einem halbdunklen Zimmer, sah über sich eine hohe Decke und hörte das stetige Prasseln des Regens. Ihr Kopf schmerzte, es hämmerte in ihrem Schädel, und während sie versuchte, den Schmerz zu unterdrücken,
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