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Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

Titel: Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vitali Sertakov
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und ließen die Stadt Scharja abrupt hinter sich. Als wären sie gekappt worden, endeten die tristen ausgestorbenen Straßen, die aufgerissenen Bürgersteige und die mit Brennnesseln zugewachsenen Dächer. Artur stockte der Atem, als er die Landschaft vor sich sah. Die Sonne über dem Wald färbte den Nebel in unzähligen Rosatönen. Die stahlglatte Oberfläche eines Flusses schien unter der zarten Berührung der Sonne aufzuwachen und seufzend in Bewegung zu geraten. In ihm schlingerten Unmengen von Algen, ein Fischschwarm schoss wie ein silberner Funkenregen vorbei. Am Steilufer erhoben Legionen verwilderter Sonnenblumen ihre goldenen Köpfe, im Flussnebel, diesem riesigen Federbett, trabten schwarze Pferde. Etwas weiter flussabwärts saßen an seichten Stellen auf vom Wind abgeschliffenen Kieseln sechs weiß gekleidete Männer im Kreis.
    »Berder! Wir haben noch sechs Minuten.«
    Ismail sprang vom Pferd und umarmte jeden am Wasser. Alle Wipper waren bereits älter, nur einer, der ganz links saß, war fast noch ein Teenager. Sie rückten enger zusammen, damit die Neuankömmlinge in diesen Kreis aufgenommen werden konnten. Artur nahm auf einem Holzbrett Platz und fühlte sich fast wie ein Ehrengast dieser Gesellschaft, gar nicht wie jemand, dem eventuell Lebensgefahr drohte. Ismail hatte sich zwar nicht einmal bei ihm bedankt, dass er ihn am Leben gelassen hatte – aber Berders Frage hatte ihm bewiesen, dass alle über diese Tat Bescheid wussten. Die Wipper ließen eine Flasche aus Birkenrinde kreisen und boten auch ihm davon an. Wahrscheinlich war das der erste Scherz, den sich diese Waldzauberer mit ihm erlaubten: Ein Schluck von diesem bitteren Moosbeerensaft – und er hätte beinahe lebenslang geschielt. Während alle anderen schwiegen, als warteten sie auf etwas, sah er sich aufmerksam um. In sechs Minuten würde also irgendwas geschehen. Und nur deswegen hatten sie ihn, Artur, hierhergebracht. In den letzten Tagen hatte er ständig damit gerechnet, dass sie ihn zwingen würden, an irgendeinem obskuren Kult teilzunehmen. Trotzdem überrumpelte ihn die Situation jetzt.
    Der Teenager legte nun ein Brett in die Mitte des Kreises, holte einen Vogelkäfig und stellte diesen darauf. Nur dass in dem Käfig kein Papagei hockte, sondern, förmlich hineingequetscht, ein Biber. Das arme Geschöpf kratzte verzweifelt mit den Krallen über den Käfigboden, versuchte sich mit den Zähnen an den Eisenstäben, schaffte es aber nicht, sich zu befreien. Wie auch? Das Tier konnte sich in dem engen Käfig ja nicht mal um die eigene Achse drehen. Im Grunde sah es aus, als sei der Biber in dem Ding herangewachsen – bis er es fast durch seine Größe sprengte!
    »Du weißt viel, Buchmensch Artur!«, sagte Berder und zog aus seinem Ausschnitt ein Skalpell, das in einem Lederfutteral steckte. »Aber all dein Wissen nützt dir hier nichts. Du willst die Dinge verstehen, aber du wirst nichts verstehen, solange du nicht mit eigenen Augen gesehen hast, was wir zustande bringen. Willst du das?« Der Sonnenstrahl tanzte auf der polierten Klinge. Der Biber in seinem Käfig quietschte herzzerreißend.
    Artur schluckte. Der Nebel hatte sich inzwischen gelichtet. Am gegenüberliegenden Flussufer tauchten aus dem hohen Gras erst zwei dreieckige Schnauzen auf, dann zwei weitere, schließlich immer mehr. Eine ganze Horde von Drachen stapfte mit auf den Rücken gelegten Flügeln zum Wasser. Von der Sonne geblendet glitten die Reptilien blinzelnd und vor Vergnügen schnaubend durch den Matsch und peitschten dann voller Vergnügen auf das Wasser ein. Zwei Drachen veranstalteten eine laute Balgerei um einen toten Fisch. Die Wipper achteten überhaupt nicht auf diese Biester. Obwohl keiner von ihnen eine Uhr hatte, zweifelte Artur nicht daran, dass sie genau wussten, wann ihre sechs Minuten um waren. Die neun Männer warteten reglos, fast wie steinerne Standbilder, die Drachen tranken sich satt und krochen davon, die Pferde fraßen Gras.
    Etwas braute sich hier zusammen. Artur quälte ein stechender Schmerz in den Schläfen. Er schaffte es nur mit letzter Kraft, nicht der Versuchung nachzugeben, sich umzudrehen. Ein riesiger Schatten schien von hinten an ihn heranzuschleichen und ihn anzuhauchen.
    »Es ist so weit!«, rief der Alte links von Berder und schüttelte seine Rastazöpfe.
    »Es ist so weit!«, bestätigte Ismail. »Möge das Gleichgewicht gedeihen!«
    »Möge das Gleichgewicht gedeihen!«, echote Berder und stach den Biber mit dem

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