Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
bisschen was von Steinen. Wenn das keine Fälschungen waren, dann würde man auf dem Markt für die Menge, die dieser verlauste Wilde ihnen da so locker präsentiert hatte, eine ganze Pferdeherde kaufen können. Seit dem letzten Jahr waren Edelsteine wieder gefragt …
»Gut, ich hol mir die Steine!«
Der Hauptmann nickte dem Sergeanten zu. Der nahm den Fremden jetzt ganz offen mit der MP ins Visier. Der Reiter verschränkte jedoch bloß die Arme vor der Brust und tat so, als ginge ihn das Ganze überhaupt nichts an. Nun kroch der Hauptmann unter dem Schlagbaum durch und steckte die Hand in die Tasche mit den Steinen.
Dann überschlugen sich die Ereignisse. Der Soldat im Unterstand kam gar nicht mit Schreien und wildem Gestikulieren hinterher, geschweige denn, dass er Worte fand für das, was hier vorging. Dem Hauptmann floss das Blut in Strömen übers Gesicht, er verlor seine Schirmmütze und starrte auf seine Hand – an der drei Finger fehlten. Danach jaulte er mit dünner Stimme los und spuckte aus, während der Sergeant das Feuer eröffnete. Genauer gesagt, er entsicherte und gab eine Salve in den Boden ab, ließ prompt die Waffe fallen und fasste sich ans linke Auge, aus dem ein Wurfmesser herausragte. Der Soldat im Unterstand verfügte zwar nur über die Armbrust, die war allerdings eine der allerneuesten Art, sodass man drei Pfeile abschießen konnte, ohne nachzuladen. Das tat er auch. Um gleich darauf noch drei Pfeile in Richtung des Wilden zu jagen. Als er wieder aus seiner Schießscharte herauslugte, saß der Bärtige jedoch immer noch auf dem Pferd, während der Hauptmann sich im Staub wälzte und die verstümmelte Hand gegen die Brust presste. Der barfüßige Zauberer hob den Kopf, sah dem Armbrustschützen durch den dunklen Spalt der Schießscharte in die Augen und ließ die sechs zerbrochenen Pfeile fallen.
»Komm her und lass den Schlagbaum hoch!«, verlangte er.
Mit einem Mal spürte der Soldat, dass es in seinem Bauch rumorte und er unbedingt scheißen musste. Vorsichtig stolperte er aus dem Bunker. An der Wand hing ein Telefon. Er könnte also in der Garnison anrufen – ja, er müsste das sogar tun –, nur wagte er es nicht, dieser schrecklichen Stimme den Gehorsam zu verweigern. Darüber hinaus hätte er auch die Hunde rauslassen können, dafür bräuchte er bloß den Haken aus dem Eisenring zu kippen. Doch der Mann tat die ersten Schritte aus dem Bunker heraus, sah die Hunde – und wusste, dass er von heute an alles tun würde, was dieser Fremde von ihm verlangte. Die wilden Tiere mit ihren Reißzähnen, jedes größer als ein ausgewachsener Wolf, winselten wie Welpen, zerrten an ihren Ketten und fingen ein paar Brocken Fleisch auf, die dieser Zauberer ihnen zuwarf. Mit vor Angst verzerrtem Gesicht öffnete er den Schlagbaum. In den Händen des Fremden lag noch immer keine Waffe.
»Meine Finger!«, wimmerte der Hauptmann. »Dieses Schwein hat meine Finger abgebissen!«
Sobald der Weg frei war, berührte der Zauberer kurz die grasende Stute. Widerwillig trabte sie dem Hengst nach. Der Armbrustschütze wagte es nicht, den Blick zu heben, über seinen Rücken rann der Schweiß, er spürte, dass nicht mehr viel fehlte, und er würde sich auf der Stelle in die Hose scheißen. Vor seinem Gesicht sah er die nackten, muskulösen Waden voller Narben und Schrammen.
»Willst auch du, dass ich zahle?«, fragte der Wilde, blieb noch einmal stehen und öffnete erneut die Tasche mit den Steinen.
Der Soldat zitterte am ganzen Körper, aber die Neugier siegte. Er spähte hinein, fing an zu schwanken und landete mit dem Hintern im Aprildreck. Aus den funkelnden Edelsteinen ragte ein flacher dreieckiger Kopf mit einer doppelten Reihe nach innen gebogener Zähne im aufgerissenen Maul heraus. Zwischen den Zähnen dieses Monsters wanderte der Ringfinger des Hauptmanns mit dem breiten Eisenring hin und her. Dieses Schmuckstück hinderte den Taschenbewohner offenbar auch daran, die Beute runterzuschlucken.
»Ich lass dich am Leben«, sagte der Fremde, »wenn du mir versprichst, dass du mir niemanden hinterherschickst. Sollte die Jagd auf mich eröffnet werden, komme ich zurück und werfe dich dem kleinen Drachen hier zum Fraß vor, der braucht nämlich viel Fleisch, damit er ordentlich wächst. Du glaubst doch, dass ich zurückkomme?«
Der Soldat nickte und schluchzte hysterisch.
»Und jetzt hör mir zu«, fuhr der Zauberer fort. »Mein kleiner Freund hier heißt Flugs. Seine Spucke stoppt die
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