Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
hören! Wer war es denn, der unbedingt mit der Hauptstadt handeln wollte?! Wir haben euch die besten Bedingungen geboten. Wo findet ihr sonst einen solchen Markt?! Ihr wollt ja wohl nicht bis nach Piter zuckeln oder nach Astrachan … Überlegt doch mal, was euch da unterwegs alles passieren könnte.«
Das war nicht von der Hand zu weisen. Die Straße nach Moskau wurde gut bewacht, nach Piter oder in den Süden müsste man aber eine große Karawane zusammenstellen. Und Geleitschutz für sie anheuern. Dafür fehlte jedoch das Geld. Außerdem wisse niemand so genau, ob dieses mysteriöse Gesetz nicht den Handel mit Piter verbot …
»So sieht die Lage also aus, Herr Ingenieur«, beendete Marquis seinen Bericht. »Hier komm ich nicht weiter, dazu ist die Straße zu aufgerissen …«
»Das macht nichts, den Rest schaffen wir zu Fuß.«
In der Gasse war niemand zu sehen. Die Wasserleitung, die hier verlief, musste irgendwann geplatzt sein, sodass der Boden aufgeweicht, ein Loch entstanden und der Asphalt hochgedrückt worden war. Er versperrte vor allem die Straße. Über den Rand des Lochs ragte Eis auf, das aussah wie ein geschmolzener Zuckerhut. Das Dach eines Hauses in der Nähe war eingestürzt und hatte auch die beiden unteren Etagen in Mitleidenschaft gezogen. Das Ergebnis hätte gut als Illustration in einem Lehrbuch für Zivilschutz dienen können. Artur zog Karim die Mütze tief ins Gesicht und lud sich den schlaffen Körper auf die Schulter.
»Dein Kumpel hat sich aber gewaltig die Kante gegeben … Und sag mal, bei euch in Piter, laufen da alle barfuß rum oder nur die Ingenieure?«, rief ihm der Fuhrmann hinterher.
»Nur diejenigen, die für Gerechtigkeit sind«, erwiderte Artur, ohne sich umzudrehen. »Wer für Ordnung ist, hat alles Mögliche an den Füßen!«
Die Balken in der Straße parallel zum Institut waren bereits verfault. Da er auch noch von einem zum anderen springen musste, war er zu abgelenkt, als dass er hätte bemerken können, wie am anderen Ende der Gasse aus einer Tordurchfahrt ein offener Jeep auftauchte.
»Da ist der barfüßige Kerl!«, machte ein großer Kerl mit kastanienbraunen Locken und vernarbtem Gesicht seine Kollegen auf Artur aufmerksam. »Die Gewehre runter! Für eine Leiche kriegen wir nichts!«
(30)
ÜBER DEN NUTZEN VON HAUSTIEREN ODER DIE SCHELMEREIEN EINES FLEDERS
Zu seiner unsagbaren Freude fand Kowal die Stute gesund und munter vor. Aus Langeweile hatte sie sämtliche trockenen Äste im Hof angeknabbert, während es der Fleder ohne den Befehl seines Herrn nicht gewagt hatte, die Tasche zu verlassen, dafür aber aus purer Bosheit sein tragbares Heim in Fetzen gerissen hatte. Jetzt kauerte er mit gefletschten Zähnen da, ebenso wütend wie schuldbewusst. Das Pferd hätte der Fleder ohnehin nie angerührt, immerhin war er ein gut erzogenes Tier, fast wie ein Wachhund, der die Verantwortung für den Besitz seines Herrchens übernahm. Außerdem bestand ein Teil seiner Ausbildung darin, auf eine Schale mit Pferdeblut zu reagieren: Er bekam davon zu kosten, kriegte im Anschluss jedoch eins mit einer Gerte auf die Nase, bis er sich am Ende völlig gefeit gegen diese kulinarische Versuchung zeigte. Diese Dressur war vor allem deshalb möglich, weil sich seine Hauptwaffe, der Schwanz, erst in seinem zweiten Lebensjahr mit dem Gift füllte. In einer der Satteltaschen fanden sich zum Glück aber noch gedörrtes Fleisch und Früchte, sodass niemand verhungern musste.
Artur ging gar nicht erst ins Institut. Wenn am Haupteingang Fremde aufgetaucht wären, hätte er das bemerkt. Doch die Spuren ließen darauf schließen, dass Sergej und Luda Drobitschenko das Gebäude aus freien Stücken verlassen hatten. Offenbar hatten sie sich durchs Gestrüpp gekämpft, dann waren sie auf die Zufahrtstraße abgebogen, die zu einem eingestürzten Tor führte. Laska war ihnen gefolgt, zwischendurch aber ein paarmal stehen geblieben, um sich umzusehen. Wahrscheinlich hatte sie nicht so recht gewusst, ob sie sich wirklich diesen beiden anschließen sollte. Mittlerweile war sie bestimmt längst zu ihren Leuten am Tor zurückgekehrt.
Jetzt weckte Artur Karim. Der verstand im ersten Moment gar nicht, wo er war. Dann bat er, pinkeln zu dürfen, danach fiel ihm ein, dass er sich in Moskau befand, was ihn so mutig werden ließ, nach Essen zu verlangen. Als er daraufhin eine abschlägige Antwort erhielt, schmollte er zwar, stieg dann aber ohne jeden Widerspruch aufs Pferd. Anscheinend zog er es
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