Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
Karawanen aus dem Süden nach Moskau gekommen, nicht aus der Ukraine, sondern noch weiter aus dem Süden, wo die reichen Asiaten leben. Anna hat mir davon erzählt. Sie geben für russische Frauen so viel Gold, wie es keine Gemeinde oder Garnison aufbringen könnte. Ich weiß nicht, wohin sie jetzt, da es Moskau nicht mehr gibt, gehen … Vielleicht ja nach Piter. Anna sagt, dass sich früher auch in Moskau die Duma versammelt hat. Als es noch vier Präsidenten gab, meine ich. Damals hätten sie entschieden, dass Frauen und Handwerksmeister nicht an die Asiaten verkauft werden. Genauer gesagt an niemandem, weder an die Asiaten noch an die Deutschen oder Polen.«
»Und was, wenn ein Handwerker aus freien Stücken weggehen will?«
»Hast du die Gesetze vergessen? In Moskau sind sie noch strenger als in Piter. Wenn ein Mann fortgehen will, muss er der Kommune seinen ganzen Besitz dalassen. Er darf auch keine Frau aus der Stadt mitnehmen. Trotzdem sind viele zu den Deutschen gegangen. Aber sie sind auch oft zurückgekehrt. Sie haben gesagt, dass man dort gut leben kann und unsere Mütter geachtet werden. Aber von den Asiaten ist niemand zurückgekehrt. Anna sagt, dass die Frauen dort goldene Gewänder tragen, aber das Haus nicht allein verlassen dürfen. Außerdem kann ein Mann dort drei Frauen haben …«
»Das war bei ihnen schon früher so.«
»Ich weiß nicht, was vor dem Großen Tod war, Artur Schmied«, erwiderte Nadja, während sie eine Schale mit eingesalzenem Gemüse auf den Tisch stellte. »Aber ich weiß, was mit mir geschehen wäre, wenn die Karawane Moskau erreicht hätte. Dann hätte ich ein goldenes Kleid getragen und meine Kinder wären …«
»Schon wieder Gold?«, fiel Artur ihr ins Wort. In seiner Wut schlug er sich sogar mit der rechten Hand auf den Schenkel – und hätte vor Schmerz beinahe aufgeschrien.
»Es geht doch gar nicht ums Gold«, widersprach sie, trat dicht an ihn heran und schlang ihm die Hände um den Hals. »Wie viele Narben du hast! Inzwischen bist du ein richtiger Soldat geworden …« Sie küsste seine Stirn, küsste die Narbe, die die Vogelkrallen hinterlassen hatten. »Worum es geht, ist, dass ich mit dir glücklich bin. Dass ich nichts bedaure. Aber nachts, wenn du nicht schläfst, bin ich traurig. Nein, sag jetzt nichts, lass mich ausreden … Wenn du fröhlich bist, freue ich mich mit dir, weil du mein Mann bist. Aber ich spüre, wie du dich nach einer anderen Frau sehnst. Du bist klug, du hast viele Bücher gelesen, du liest sogar immer noch. Du glaubst, dass du eine kluge Frau brauchst, eine wie Arina Rubens. Klug, mutig wie ein Soldat, schön und stark. So bin ich nicht, Artur, ich kann nicht lesen, und ich verstehe nicht immer, wovon du sprichst. Als Ismail dich aus Moskau zurückgebracht hat und du eine Woche lang mit Fieber im Bett gelegen hast, da hast du mich Natascha genannt.«
Sie holte tief Luft, ehe sie fortfuhr: »Ich wollte das nie erwähnen und hätte es auch bestimmt nicht getan, wenn du nicht heute mit den fremden Männern angefangen hättest … Diese Natascha, sie war vor dem Großen Tod deine Frau, nicht wahr? Du hast sie geliebt, das weiß ich. Sie war natürlich nicht so eine Närrin wie ich. Sie konnte lesen und ein Motorrad fahren und noch vieles mehr. Damals waren die Frauen überhaupt anders, oder? Du hast viel mit dieser Natascha geredet, während du krank warst. Du hast mit ihr geredet und sie um Verzeihung gebeten. Mich hast du noch nie um Verzeihung gebeten, Artur. Mit mir redest du nicht so wie mit ihr. Oft verstehe ich auch nicht, was du sagst, aber deshalb bin ich nicht wütend auf dich. Denn du bist mein Mann, Artur Schmied. Ich bin auch jetzt nicht wütend …« Sie küsste ihren verblüfften Mann erst auf das eine, dann auf das andere Auge. »Ich will nur nicht, dass du denkst, dass ich mit dir lebe, weil Ismail oder sonst wer es so entschieden hat …«
»Das denke ich ja auch gar nicht! Wie kommst du denn da drauf?« Er spürte, dass er rot wurde, konnte aber nichts dagegen machen.
»Aber du denkst …« Nadja kaute auf der Unterlippe und war für eine Sekunde wieder die Frau, die er aus dem Feuer getragen hatte. »… du denkst, dass das Glück etwas Großes ist … Besser kann ich das nicht ausdrücken, Artur. Du glaubst, dass du es in Piter besser gehabt hättest, weil dort viele Männer und Frauen leben … Aber du sollst eins wissen: Wenn du gehst und dortbleibst, werde ich immer auf dich warten. Immer, bis die Erde
Weitere Kostenlose Bücher