Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
Schauplatz. Die Kirchenglocken schlugen mit gewaltigem Geläut Alarm. Irgendwo in den Vierteln im Norden durchrissen MP -Salven die Finsternis. Gerade brandete die Welle der Verwüstung gegen die Moskworezki-Brücke und riss etliche Laster und Autos mit sich.
Im Eismatsch des schwarzen Wassers der Moskwa strampelte eine ganze Herde schreiender entkräfteter Kühe. Einige von ihnen versuchten, sich an Land zu retten, doch die Strömung trieb sie unaufhaltsam flussabwärts. Am Ufer warfen Menschen Leinen aus und wateten in den Fluss, um das Vieh zu retten. Das sollten sie besser lassen, dachte Artur finster. Wenn die Welle erst mal diesen Bezirk erreicht, würden die Tiere rasend werden und ihre eigenen Herren ertränken. Alles würde sich gegen die Menschen richten. Und zwar so lange, bis das Gleichgewicht wiederhergestellt war.
Das Letzte, was Artur sah, als er Malwina nach Norden lenkte, war das explosionsartige Ende der Anlegestellen um den großen Marktplatz. Ein Kahn mit Holz ragte fast senkrecht im Wasser auf, ganz wie der letzte Grenadier im Regiment Kutusows, der der sterbenden Stadt noch mal die Ehre erweist.
(35)
FRAUEN UND MÄNNER
»Verlangst du etwa von mir, dass ich diese Entscheidung treffe?«, fragte Nadja, die gerade einen dampfenden Preiselbeerkuchen aus dem Ofen holte und vor Artur auf den Tisch stellte.
»Bisher habe ich dich viel zu selten nach deiner Meinung gefragt«, antwortete Artur seufzend.
»Es ist auch schwer, etwas mit dir zu besprechen, Artur Schmied, denn du bist nicht wie die anderen Museumsleute. Du bist aber auch nicht wie einer der Wipper. Du wirst wütend, wenn andere lachen, und lachst, wenn andere ernst sind.«
»Worauf willst du damit hinaus?«
»Du kannst mit deiner Wut nicht hinterm Berg halten …«, antwortete Nadja, löste ihr Haar und fing an, es zu kämmen, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war. »Du verübelst es ihnen, dass sie wollen, dass ich nächstes Jahr mit einem anderen Mann schlafe.«
»Soll ich mich etwa darüber freuen?«, blaffte er sie an und hackte mit dem Messer in der linken Hand auf den Kuchen ein, um ihn in Stücke zu teilen. Die rechte hatte Berder nicht vollständig wiederherstellen können. Die gerissenen Sehnen waren nicht ordentlich zusammengewachsen, weshalb der Wipper ihn bald noch einmal würde operieren müssen.
»Ich sag ja, du bist nicht wie die anderen. Du hast fast vier Jahre mit mir zusammengelebt, aber irgendwie hast du dich überhaupt nicht geändert … Du weißt genau, dass sich mein Bauch ein Jahr lang erholen musste und dass ich jetzt verpflichtet bin, ein weiteres Kind zu bekommen.«
»Apropos: Warum ist von unseren Kindern eigentlich kein Mucks zu hören?«
»Weil Nikolaj mit einer Hüterin in den Wald gegangen ist. Sie hat ihn gelobt und meint, er würde gute Fortschritte machen. Und Belotschka hast du wie üblich gar nicht bemerkt. Sie schläft da unten, an die Hunde gekuschelt.«
»Du könntest doch auch noch ein weiteres Kind von mir zur Welt bringen.«
»Auf wen oder was bist du eigentlich so wütend, Schmied? Auf die Gesetze, die das Leben aller Menschen regeln? Oder auf die Erde, die dieses Leben im Jahr des Großen Todes vernichtet hat?«
»Und warum musst du die Wipper immer verteidigen? Indem du alles auf eine empirische Basis …«
»Du redest schon wieder so, dass dich niemand versteht!« Sie trat an ihn heran, nahm ihm das Messer ab und gab dem Kuchen wieder ein einigermaßen anständiges Aussehen. »Du bist sehr klug, Artur Schmied. Manchmal meine ich sogar, dass du nicht nur klüger bist als ich, sondern auch als die meisten Männer hier … Ich weiß nicht, was du da für eine Basis meinst, aber Anna die Zweite hat mir viel erzählt. Nach dem Großen Tod hat die Erde dafür gesorgt, dass nicht mehr alle Frauen Kinder kriegen konnten. Die Erde hat ihre Schöße ausgetrocknet, damit sich die Menschen nicht mehr wie bisher vermehren … Und diejenigen, die immer noch zu Müttern werden können, tragen ihre Pflicht mit Freuden. Wenn wir mit einem anderen Mann ins Bett gehen und ihm keine Kinder schenken, sterben die Menschen aus.«
»Das verstehe ich ja. Nur macht es die Sache auch nicht leichter …«
»Außerdem solltest du eins nicht vergessen, Artur: Ich werde mit diesem Mann höchstens zweimal schlafen. Er ist ein guter Vater, er hat Prochors Enkelin bereits einen kräftigen Sohn geschenkt. Er kommt hierher und reitet wieder weg. Ihr werdet euch nicht einmal begegnen, und du musst ihm
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