Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
Abdrücke von Hufen und sogar von bloßen Menschenfüßen. Am letzten Unterstand stieß er auf den völlig verwesten Kadaver eines gesattelten Pferdes. Etwas weiter die Straße runter lagen vier tote Hunde. Bei zwei von ihnen klafften in den Stirnbeinen Löcher mit klaren Rändern …
Er wollte schon weitergehen, zögerte jedoch im letzten Moment. Bei diesen Hunden stimmte alles mit dem Fell. Auch ansonsten zeigten sie keine Mutationen, jedenfalls nicht, soweit er es erkennen konnte. Er überwand sich, nahm die Eisenstange vom Rücken und stocherte damit im grauen Fell eines der Tiere herum.
»Hol mich doch der Teufel, wenn das kein Wolf ist!«, murmelte Artur, den Blick auf den gebleckten Kiefer gerichtet. »Aber wo steckt dann derjenige, der dich erlegt hat?«
Ob die Meute den Reiter, von dem das Pferd stammte, umzingelt hatte, woraufhin dieser geschossen, den Gaul den Wölfen zum Fraß überlassen hatte und zu Fuß davongestürzt war? Die Tiere konnten ihm diese Frage jedenfalls nicht mehr beantworten. Aber so oder so gefiel ihm diese Entdeckung nicht. Raubtiere aus dem Wald mitten auf der Petrograder Seite. Okay, in den Plattenbauten, da hätte er das ja noch irgendwie verstanden … Aber hier?!
Inzwischen dämmerte es. Er legte einen Zahn zu, wobei er Kurs auf die Moschee im Kronwerkski Prospekt hielt. Schon von Weitem machte er einen gestreiften Schlagbaum und abermals eine Reihe von Sandsäcken aus, diesmal direkt an den Minaretten. Über dem Schlagbaum schwankte ein Eisenschild mit weißen abgeblätterten Buchstaben im Wind. Noch konnte er nicht erkennen, was darauf stand. Mittlerweile bewegte er sich auch nicht mehr im Schatten der Häuser vorwärts, denn zweimal waren ihm bereits einzelne Zierelemente und Teile von Regenrinnen vor die Füße geknallt. Seine neue Taktik bestand darin, sich in der Mitte der Straße zu halten und um alle Hindernisse, hinter denen sich Hunde oder andere wilde Tiere verstecken konnten, einen großen Bogen zu machen.
Endlich konnte er auch die Aufschrift entziffern, selbst wenn er einzelne Buchstaben einfügen musste. Da er seinen Augen kaum glauben wollte, las er sie wieder und wieder. Bis etwas ganz anderes seine Aufmerksamkeit verlangte …
(5)
FREMD IN DER HEIMAT ODER ÜBER DIE BEDEUTUNG VOM DIENST AN DER WAFFE
Das Grün um die Metrostation Gorkowskaja hatte nicht das Geringste mit einem gepflegten Garten zu tun. Rechts von Artur schillerte in allen nur denkbaren Nuancen Windbruch, ganz wie in einem Gemälde von Schischkin. Dickicht kroch auf die Straße, riss das Pflaster auf und hebelte die Schienen der Straßenbahn aus dem Boden. Allerdings klaffte mitten in diesem Urwald ein fünf Meter breiter Streifen. Er schuf einen Weg zu den Stufen, die zum Metroeingang hochführten. Dieser Streifen musste wiederholt mit Brennstoff begossen und angezündet worden sein, um den Pflanzen Einhalt zu gebieten, war er doch mit einer dicken Ascheschicht überzogen. Artur umrundete einen auf der Seite liegenden, unter Hagebutten begrabenen ausgeschlachteten Bus – und erblickte endlich die ersten lebenden Menschen.
Vor Freude wäre ihm beinah das Herz stehen geblieben. Er machte ein paarmal den Mund auf und zu, brachte aber kein einziges Wort heraus. Als er sich wieder gefasst hatte, wurde ihm klar, dass diese Menschen in echten Schwierigkeiten steckten. Sie sahen noch ziemlich jung aus und befanden sich mitten auf dem Aschestreifen, zwischen einer ausgeblichenen Reklametafel und dem Eingang in die Metro. Der eine von ihnen war verletzt und saß auf dem Boden, mit dem Rücken gegen das Bein des anderen gestützt. Mit den Zähnen zog er einen Verband fest, den er gerade um seinen linken Unterarm wickelte. In der rechten Hand hielt er eine Sportarmbrust, deren Schaft auf seinem Knie lag. Sein linkes Hosenbein war zerrissen und zeigte einen dunklen Fleck. Keine drei Schritte von ihm entfernt verreckten gerade drei dieser kahlen Hunde, mit Pfeilen gespickt. Weitere Köter umrundeten sie, dicht an den Boden geschmiegt. Jetzt packte der Freund des Verletzten diesen mit einer Hand am Kragen und schleppte ihn ruckweise in Richtung Metro. Beide hatten grobe Windjacken an und Hosen, die aussahen, als seien sie aus Zeltplane gefertigt. Ihr Mundschutz baumelte ihnen im Nacken. Der unverletzte Mann trug eine Flinte mit Pistolengriff sowie ein langes Schwert in einer selbst gemachten Scheide überkreuz auf dem Rücken. In der freien Hand hielt er eine weitere Waffe.
Das Pärchen wollte sich
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