Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)
gleichzeitig. Dann nahm entweder ein dunkelhäutiger dicker Kerl mit Schnurrbart ab, der einen Kaschmirpulli trug, oder sein Nachbar, ein finster dreinblickender Mann mit schwarzem Haar, der wie ein Kaukasier aussah. Dass irgendwann eine weitere Frau das Büro betrat, bekam Kowal erst nach einer Weile mit. Sie war groß und üppig, eine russische Schönheit, wie sie im Buche steht. Selbst eine Narbe auf ihrer Wange schmälerte den Gesamteindruck nicht. Einer der Männer schob ihr einen Ledersessel hin, doch Mam Rubens – denn um sie handelte es sich – ging leise zu einem Kartentisch und stellte eine Tasse aus deutschem Porzellan, ein Schälchen mit Marmelade und eine Silberschale mit Löwenfüßen voller Nüsse und Trockenfrüchte ab.
Im Laufe seines Vortrags begriff Artur, dass Pap Rubens seine Stellung mit gutem Grund innehatte. Seine Augen bohrten sich wie Stilette in ihn. Auf dem hageren Gesicht mit den hohen Wangenknochen spiegelte sich nicht eine Regung wider. Als Artur seinen Bericht völlig ausgelaugt zum Abschluss gebracht hatte, herrschte Totenstille im Büro, nur die Wolfsjungen rumorten in ihrem Käfig und der Kessel pfiff. Alle warteten darauf, dass Pap Rubens das Schweigen brach.
»Wo hast du noch mal diesen Toten gefunden?«, fragte er schließlich.
Einer der beiden Alten im Feldrock suchte die Adresse auf der Karte, sobald Artur sie genannt hatte. »Das ist nicht das Gebiet des Bürgermeisters, Pap. Der Bezirk links vom Kamennoostrowski untersteht den Leuten von Mam Kate.«
»Diese Idioten!«, zischte der Kaukasier. »Legt Mam Kate es auf einen Krieg mit dem Bürgermeister an?«
»Das war ein Mann des Gouverneurs!«, sagte Pap Rubens und nickte in Richtung des offenen Isobehältnisses mit den Fläschchen. »Was das heißt, wissen wir. Oder siehst du das anders, Sappeur?«
Bei dem Sappeur handelte es sich um einen großen mageren Mann, der einen Seidenkittel trug und dem Schauspieler und Regisseur Wladimir Bassow verdammt ähnlich sah.
»Wenn das wirklich irgendein Extrakt ist, heißt das, der Gouverneur hat sich erneut mit den Zauberern eingelassen.«
»Aber wie kommt es dann, dass sich dieses Fläschchen immer noch bei dem Jungen befand?«, fragte der Mann mit Schnurrbart. »Was ist da schiefgelaufen?«
»Vielleicht wurde der Kerl ja zufällig umgebracht? Von den Wilden, meine ich.«
»Nur kennt Mam Kate keine Gnade, wenn es um Mörder geht. Deshalb hätten es die Wilden nie gewagt, in ihrem Bezirk …«
»Ich meine die gelben Wilden.«
Kowal drehte ständig den Kopf hin und her und versuchte krampfhaft, den Sinn dieses Wortwechsels zu erfassen.
»Wer hat denn bei euch mehr zu sagen, der Bürgermeister oder der Gouverneur?«, fragte er schließlich Louis, der bisher – genau wie Daljar – kein Wort gesagt, sondern nur höflich dem Gespräch der Alten gelauscht hatte.
»Der Gouverneur hat mehr Soldaten«, antwortete Pap Rubens an Louis’ Stelle. »Aber der Bürgermeister kontrolliert das Elektrizitätswerk und steht auf gutem Fuß mit der Kommune der Erdölarbeiter. Wir müssen also dringend herausfinden, was es mit diesem Toten und seinem Fläschchen auf sich hat.« Dann wechselte er das Thema. »Du bist Ingenieur, richtig? Kannst du schweißen?«
»Ja. Obwohl ich es schon lange nicht mehr gemacht habe …«
»Was ist mit Elektromotoren?«
»Im Prinzip …«
»Verstehst du was von Wicklungen?«
»Ich glaube schon.«
»Hast du den Leuten von der Metro nicht gesagt, du könntest das?«
»Schon …«
»Im Übrigen hält dich hier niemand gegen deinen Willen fest. Du kannst dir jederzeit einen anderen Schlafplatz suchen. Du brauchst auch nicht gleich heute Nacht eine Entscheidung zu treffen, ob du dich uns für immer anschließt oder nicht. Bleib erst einmal eine Woche bei uns und sieh dir alles an. Denn das hier …« Pap Rubens drehte das Fläschchen mit der gelben Flüssigkeit in der Hand. »Das ist der beste Beweis dafür, dass du nicht lügst. Eines dieser Fläschchen mit Anti-Bullterrier-Extrakt kostet mehr als einen Monat Arbeit jedes x-beliebigen Ingenieurs. Keine dieser Bestien tut dir etwas an, solange du diesen Extrakt besitzt. Du bist ein lausiger Soldat, aber trotzdem hast du unseren Männern geholfen. Sie verdienen eine Strafe. Sie wollten von den Cowboys Heilkräuter kaufen und hatten nicht genug Patronen dabei …«
Daljar und Louis sahen beschämt zu Boden.
»Was, wenn die Zauberer ihm das Zeug gegeben haben?!«, mischte sich nun Mam Rubens ein.
Als
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