Cryonic: Der Dämon erwacht (Cryonic 1) (German Edition)

gedrückt hatten. In der Mitte dieses Kreises stellten sich die beiden Passagierwagen auf. Auch eine ganze Herde von Ersatzpferden, die Kowal bisher noch gar nicht bemerkt hatte, trieb man dorthinein. Die Cowboys mussten sie erst später gebracht haben. Der Panzerwagen und der Ural mit der Flak fuhren um diesen Kreis Patrouille, in noch größerem Abstand folgten berittene Soldaten ihrem Beispiel.
    Artur sprang aus dem Wagen. In der sauberen Waldluft wurde ihm sogar ein wenig schwindlig. Als er sich umblickte, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass er den Ort kannte. Die Karawane hatte an der Zufahrt zu einem Tanklager gehalten. Aus dem Unkraut ragten die Überreste einer angegliederten Tankstelle heraus, die über die Jahre schwarz geworden waren. Am Waldrand ließen sich in Himbeerbüschen die Fundamente von Verwaltungsgebäuden erkennen, und über den Wipfeln des Walds blähten sich die Tanks wie Raumschiffe.
    »Hast du das schon gesehen?«, fragte Rokotow.
    Artur verstand zunächst nicht, worauf der dicke Zeigefinger des Handelsministers wies. Der Wald, der sich den flachen Hang hochzog, wirkte wie jeder Wald sonst auch. Trotzdem …
    »Scheiße!«, stieß Artur aus. »Das darf doch nicht wahr sein!«

(10)
    DIE GRÜNE ATTACKE UND DIE TOCHTER DES ROTEN VOLLMONDES
    »Genau deshalb kann seit neun Jahren niemand mehr die neue Straße benutzen«, erklärte Charly, der sich gerade eine Zigarette drehte und anschließend mit einem Feldstecher die Gegend auskundschaftete. »In den Waldaihöhen sind solche Sachen zu oft vorgekommen, deshalb will sich dort niemand mehr ansiedeln, obwohl die Gegend perfekt für das Vieh ist. Hier haben früher auch Cowboys gelebt.« Er reichte das Fernglas an Artur weiter.
    Der setzte das Glas an – und erstarrte.
    O nein, er hatte sich nicht getäuscht. Dieser Wald war nicht wie jeder andere.
    Obwohl nicht das geringste Lüftchen ging, wogte das Gras … Noch immer ließ sich erkennen, dass sich noch bis vor Kurzem an der Stelle des Dickichts bestellte Felder erstreckt hatten. Am Waldrand, dort, wo sich das wilde Grün über die Reste des Parkplatzes hermachte, standen nach wie vor unreife Roggenähren und es gab Ackerfurchen im Boden. Aber rund zehn Meter hinter dem Beton erhoben sich undurchdringliche Dornenbüsche und vertrieben das Korn. Der Wald rüstete zur Attacke auf das Feld. Ebendieser Shakespeare-Vergleich kam Artur in den Sinn. Nur zog sich diese Eroberung nicht über Jahre hin, wie es normal gewesen wäre, sondern erfolgte binnen Sekunden.
    Die Weißdornbüsche bewegten sich wie von einem leisen Wind gezupft, während der Schatten einer Espe eine Handbreit länger wurde. Am anderen Ende des Parkplatzes ging eine sanfte Welle über die leuchtend grüne Grasdecke hinweg und drückte sie kaum merklich ein, fast als huschten Hunderte von Feldmäusen darüber. Kurz darauf lag wieder alles ruhig da. Allerdings war das Gras jetzt dichter und näher an die Straße herangerückt. Ein winziges Stück bloß, vielleicht fünf Zentimeter. Man bemerkte es nur, wenn man ganz genau hinsah. Diese lautlose Attacke hatte etwas unvorstellbar Grauenhaftes an sich, und Artur fragte sich, ob er sich wohl je wieder trauen würde, barfuß über eine Wiese zu laufen. Wenn Pflanzen ein solches Tempo beim Wachstum vorlegten, was sollte sie dann daran hindern, auch ihre Nahrungsgewohnheiten zu ändern?
    Eine allumfassende Stille umgab ihn. Links machte er eine kaum wahrnehmbare Bewegung aus. Sofort riss er den Feldstecher herum. Der Boden bröckelte in die Furche, begrub unter sich ein weiteres Dutzend Ähren. An ihrer Stelle sprossen – wie auch immer das möglich war – die harten Stämme von Lupinen aus dem Boden. Das gleiche Szenario lief jetzt auch auf der rechten Seite ab. Eben noch hatte dort ein länglicher Stein im Erdreich gesteckt, jetzt verdrängte ihn ein Meer von Margariten. Die Blumen zitterten noch, als habe man sie gerade erst in die Erde gerammt. O nein, hier ging irgendwas nicht mit rechten Dingen zu! Kowal hätte schwören können, dass die Gruppe von jungen Eschen bis eben noch kleiner gewesen war. Aber seit wann wuchs die Flora auf diesem Planeten in einem derart rasanten Tempo?! Gut, Bambus mochte eine Ausnahme darstellen – nur hatte es den um Petersburg herum noch nie gegeben! Außerdem verhielt der sich auch nicht so aggressiv …
    Fassungslos gab er Rokotow, der ihn die ganze Zeit beobachtet hatte, den Feldstecher zurück.
    »Haben die Pflanzen …«, setzte Artur