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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Raum mit einem Kristalllüster wieder, der qualvoll hell ist, aber eigentlich nichts zu beleuchten scheint.Waterhouses Füße sinken so tief in den knalligen Teppich ein, dass er beinahe einen Bänderriss davon trägt. Das andere Ende des Zimmers wird von einem wuchtigen Schreibtisch beherrscht, an dem eine wuchtige Dame sitzt. Hier und da stehen große Windsor-Stühle aus Ebenholz mit dem zierlichen, aber gefährlichen Aussehen einheimischer Wildfallen.
    An den Wänden diverse Ölgemälde. Auf den ersten Blick unterscheidet Waterhouse solche, die höher als breit sind, und andere. Erstere Kategorie bilden Porträts von Herren, die offenbar durchweg einen schweren genetischen Defekt gemeinsam haben, der sich auf den Bau des Schädels auswirkt. Die zweite Kategorie bilden Landschaften oder, ebenso oft, Seestücke, alle von der Sorte öde und schroff. Die qwghlmianischen Maler lieben die vor Ort hergestellte blau-grüngraue Farbe 10 so sehr, dass sie sie wie mit der Rückseite eines Schaufelblatts auftragen.
    Waterhouse kämpft sich durch den bodenlosen Flor des Teppichs, bis er sich dem Schreibtisch nähert, wo ihn die Dame begrüßt, ihm die Hand gibt und das Gesicht zu so etwas wie der Anspielung auf ein Lächeln verzieht. Es folgt ein langer Austausch höflicher, oberflächlicher Phrasen, von denen sich Waterhouse nur an »Lord Woadmire hat gleich Zeit für Sie« und »Tee?« erinnert.
    Zu dem Tee sagt Waterhouse ja, weil er den Verdacht hat, dass die Dame (ihren Namen hat er vergessen) im Grunde nicht genug tut für ihr Geld. Eindeutig verstimmt, wuchtet sie sich aus ihrem Sessel und verschwindet in tieferen und schmaleren Teilen des Gebäudes. Der Alte hat sich bereits wieder auf seinen Posten vor dem Haus verfügt.
    An der Wand hinter dem Schreibtisch hängt eine Fotografie des Königs. Bis Colonel Chattan ihn diskret daran erinnerte, hatte Waterhouse nicht gewusst, dass der Titel Seiner Majestät nicht einfach Von Gottes Gnaden König von England lautet, sondern Von Gottes Gnaden König des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland, der Isle of Man, Guernsey, Jersey, Outer Qwghlm und Inner Qwghlm.
    Daneben hängt ein kleineres Foto des Mannes, den er gleich kennen lernen wird. Dieser Mensch und seine Familie werden von der Encyclopedia , die Jahrzehnte alt ist, recht skizzenhaft behandelt, sodass Waterhouse ergänzende Nachforschungen zu seiner Herkunft anstellen musste. Der Mann ist auf derart komplizierte Weise mit den Windsors verwandt, dass sich die Beziehung nur mit Hilfe eines fortgeschrittenen genealogischen Vokabulars ausdrücken lässt.
    Geboren wurde er als Graf Heinrich Karl Wilhelm Otto Friedrich von Übersetzenseehafenstadt, änderte jedoch 1914 seinen Namen in Nigel St. John Gloamthorpby alias Lord Woadmire. Auf dem Foto sieht er ganz wie ein Übersetzenseehafenstadt aus, und er ist völlig frei von der Schädelbauanomalie, die auf den älteren Porträts so hervorsticht. Lord Woadmire ist nicht verwandt mit der eigentlichen herzoglichen Linie von Qwghlm, der Familie Moore (anglisiert aus dem qwghlmianischen Clansnamen Mnyhrrgh), die im Jahre 1888 durch eine sensationell unwahrscheinliche Kombination von Bilharziose, Selbstmord, lange schwärenden Wunden aus dem Krim-Krieg, Kugelblitzen, defekter Kanone, Stürzen vom Pferd, unsachgemäß konservierten Austern und Flutwellen ausstarb.
    Der Tee lässt auf sich warten und Lord Woadmire scheint es auch nicht sonderlich eilig zu haben, den Krieg zu gewinnen, deshalb macht Waterhouse einen Rundgang durchs Zimmer und schützt dabei ein Interesse an den Bildern vor. Das größte stellt eine Reihe zerbeulter und zerschrammter Römer dar, die sich auf dem Zahnfleisch einen felsigen, unwirtlichen Strand hinaufschleppen, während um sie herum Bruchstücke ihrer Invasionsflotte angeschwemmt werden. Der mittlere Vordergrund zeigt einen Römer, der bei aller Ramponiertheit vornehm aussieht. Ein abgebrochenes Schwert schlaff in der entkräfteten Hand, sitzt er erschöpft auf einem hohen Felsen und schaut über mehrere Meilen aufgewühlten Wassers hinweg sehnsüchtig auf ein leuchtendes, paradiesisches Eiland. Die Insel ist reich gesegnet mit hohen Bäumen, blühenden Wiesen und grünen Weiden, lässt sich jedoch anhand der Drei Sghrs, die sich darauf erheben, ohne weiteres als Outer Qwghlm identifizieren. Sie wird von ein, zwei Furcht erregenden Burgen bewacht; ihre blassen, beinahe karibischen Strände werden von den farbigen Bannern eines

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