Cryptonomicon
schwankender Wirtschaftsindikatoren verknüpft war. Manchmal lässt Avi, wenn er an seinem Computer arbeitet, das Tabellenkalkulationsprogramm in einem kleinen Fenster in der Ecke laufen, sodass er den jeweils aktuellen Wert von »Schweinegeld« immer im Auge hat.
Die zweite, ein paar Stunden später verschickte Nachricht trägt die Überschrift »Richtlinie 2«.
Zwei: Suche eine Technologie, in der niemand mit uns konkurrieren kann. Im Augenblick = Vernetzung. Auf dem Gebiet stecken wir jeden auf der Welt in den Sack. Fast schon wieder langweilig.
Am nächsten Tag schickte Avi eine Nachricht unter der schlichten Überschrift »Mehr«.Vielleicht hatte er die Übersicht über die Zahl der Richtlinien, die er bis dahin ausgegeben hatte, verloren.
Ein weiteres Prinzip: Diesmal behalten wir die Kontrolle über die Firma. Das bedeutet, wir halten mindestens fünfzig Prozent der Anteile – was wenig bis gar kein Fremdkapital bedeutet, bis wir einen gewissen Kurswert aufgebaut haben.
»Mich musst du nicht überzeugen«, murmelt Randy beim Lesen vor sich hin.
So ergeben sich die Branchen, in die wir einsteigen können. Vergiss alles, was ein großes Anfangskapital erfordert.
Was man von Luzon zuerst sieht, sind mit grünschwarzem tropischem Regenwald überzogene Berge, in die sich wie Schlicklawinen anmutende Flüsse eingegraben haben. Wo der marineblaue Ozean an seine khakifarbenen Strände schwappt, nimmt das Wasser den grell schillernden Farbton vorstädtischer Swimmingpools an. Weiter südlich sind die Berge durch Rodung vernarbt – die Erde unter ihnen ist hellrot, sodass diese Gebiete aussehen wie frische Schnittwunden. Doch der größte Teil der Insel ist mit Laubwerk bedeckt, das aussieht wie das knotige grüne Zeug, das Modelleisenbahner auf ihre Pappmachéhügel kleben, und in den Bergen sieht man über weite Flächen keinerlei Anzeichen dafür, dass je Menschen existiert haben. Näher an Manila sind manche Hänge entwaldet, mit Gebäuden gesprenkelt, mit Schneisen für Hochspannungsleitungen bebändert. Reisfelder säumen die Becken. Die Städte sind wuchernde Ansammlungen von Hütten, die sich um große kreuzförmige Kirchen mit soliden Dächern scharen.
Die Aussicht wird verschwommen, als das Flugzeug bäuchlings in die feuchtwarme Dunstglocke über der Stadt eintaucht. Wie ein riesiges Glas Eistee fängt die Maschine an zu schwitzen. Das Wasser läuft in Strömen an ihr hinunter, sammelt sich in Spalten, spritzt von den Hinterkanten der Landeklappen.
Plötzlich schwenken sie auf die Manila Bay ein, die von endlosen, glänzend roten Streifen – einer Art Algenflor – durchzogen ist. Öltanker ziehen lange Regenbögen hinter sich her, die mit Zeitverzögerung in ihrem Kielwasser entstehen. Jede kleine Bucht ist voll gestopft mit langen, schmalen Booten mit doppelten Auslegern, die aussehen wie leuchtend angemalte Wasserläufer.
Und dann sind sie unten auf der Landebahn des NAIA, Ninoy Aquino International Airport. Wachmänner und Polizisten unterschiedlichen Ranges schlendern umher, bewaffnet mit einer M16 oder einer Pumpgun mit Pistolengriff, auf dem Kopf einen Burnus, genauer gesagt, ein Taschentuch, das mithilfe einer amerikanischen Baseballkappe am Kopf festgehalten wird. Ein Mann in einer leuchtend weißen Uniform steht, die Hände mit fluoreszierenden orangefarbenen Stäben nach unten gerichtet, unter dem schartigen Schlund der Fluggastbrücke, wie Christus, der einer Welt voller Sünder die Absolution erteilt. Schweflige, beklemmende Tropenluft strömt allmählich durch die Belüftungsschlitze des Jumbos ein. Alles wird feucht und schlaff.
Er ist in Manila. Er zieht seinen Reisepass aus der Brusttasche seines Hemdes. RANDAL LAWRENCE WATERHOUSE steht darauf.
Und so entstand Epiphyte Corporation: »Ich bin dabei, die Probleme zu kanalisieren!«, sagte Avi.
Die Nummer kam auf Randys Pager durch, als er mit der Clique seiner Freundin in einem Lokal irgendwo an der Küste saß. Einem Laden, in dem der Laserdrucker täglich neue Speisekarten auf hundert Prozent recyclingfähigem Pergamentimitat ausspuckte, wo neonfarbene Saucen sich wie das Gekritzel eines Oszillographen über die Teller zogen und die Vorspeisen aus hochragenden, systematisch angeordneten Stapeln erlesener Zutaten bestanden, die zu edelsteinartigen Prismen geschnitten waren. Randy hatte während des Essens die ganze Zeit der Versuchung widerstehen müssen, einen von Charlenes Freunden (egal welchen) zu einem Boxkampf
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