Cryptonomicon

Beweis ins Verfahren bringen.«
    Alle richten sie ihren Blick quer durch die Hotelhalle. Der Dentist steht plattfüßig auf dem Marmor, die Arme vor der Brust verschränkt, das Kinn gesenkt, während er sich die Berichte seiner Helfer anhört.
    »Vielleicht hatte er die Hand in der Tasche. Ich weiß es nicht mehr«, sagt Randy. »Es ist auch egal. Wir haben es völlig allgemein gehalten. Und kurz.«
    »Er könnte die Aufnahme aber immer noch einer Stimmen-Stress-Analyse unterziehen, um herauszukriegen, ob du gelogen hast«, gibt John zu bedenken. Er genießt die reine, ungezügelte Paranoia dieser Situation. So etwas ist ganz nach seinem Geschmack.
    »Keine Bange«, sagt Randy. »Ich habe sie gestört.«
    »Gestört? Wie das?«, fragt Eb, dem die Ironie in Randys Stimme entgeht. Er sieht überrascht und interessiert aus. Sein Gesichtsausdruck verrät eindeutig, dass Eb danach lechzt, in ein Gespräch über etwas Geheimnisvolles, Technisches einzusteigen.
    »Das war ein Witz«, erklärt Randy. »Falls der Dentist die Aufnahme analysiert, wird er nichts als Stress in meiner Stimme finden.«
    Avi und John lachen verständnisvoll, während Eb ganz geknickt ist. »Ach so«, sagt er. »Ich dachte, wir könnten sein Gerät tatsächlich stören, wenn wir das wollten.«
    »Ein Tonbandgerät arbeitet nicht mit Funk«, sagt John. »Wie sollten wir es stören?«
    »Durch Van-Eck-Phreaking«, antwortet Eb.
    In diesem Augenblick kommt Tom Howard mit einer völlig zerlesenen Ausgabe der South China Morning Post unter dem Arm aus dem Café und Beryl in voller Kampfmontur, mit Kleid und Make-up, aus einem Fahrstuhl. Die Männer wenden sich schüchtern ab und tun, als bemerkten sie nichts. Darauf folgen Begrüßungen und lockeres Geplauder. Dann schaut Avi auf die Uhr und sagt: »Lasst uns jetzt rüber zum Palast des Sultans gehen«, als schlüge er ihnen vor, eine Portion Pommes bei McDonald’s zu holen.

Knacker
    Waterhouse muss den Safe im Auge behalten; es juckt Shaftoe, ihn mit Sprengstoff zu knacken und Chattan (der Shaftoes Vorhaben eine deutliche Absage erteilt) hat vor, ihn nach London zu schicken, um ihn von Experten in den Broadway Buildings öffnen zu lassen. Waterhouse möchte nur noch ein einziges Mal selbst versuchen, ihn aufzukriegen, bloß um festzustellen, ob er es kann.
    Chattan vertritt die richtige Position. Abteilung 2702 hat einen sehr klar umrissenen, speziellen Auftrag, der ganz sicher nicht das Öffnen von Safes aus Unterseebooten umfasst. Schon gar nicht umfasst er das Entern verlassener Unterseeboote, um Safes oder andere Krypto-Daten zu bergen. Das haben sie nur deshalb getan, weil sie die einzigen Leute mit Ultra-Freigabe in der Gegend waren und die heikle Lage von U-553 Bletchley Park nicht genügend Zeit ließ, eigene Experten zu schicken.
    Doch Waterhouses Wunsch, den Safe selbst zu öffnen, hat nichts mit dem Auftrag von Abteilung 2702, seinen persönlichen Aufgaben oder gar dem Gewinnen des Krieges zu tun. Es ist etwas, wozu Waterhouse getrieben wird. Rational zu begründen ist es nicht. Noch während er, von Wellen, Wind und Regen misshandelt, mit gebrochenem Arm und zerbeultem Kopf an der gespannten Leine von U-553 zu dem Torpedoboot schnurrte, ohne vom einen zum nächsten Augenblick zu wissen, ob er es schaffen oder in den Atlantik plumpsen würde, entsann er sich der kaum merklichen Erschütterungen, die die halb erfrorenen Neuronen in seinen Fingerspitzen registrierten, als er an der Skalenscheibe des untergetauchten Safes drehte. Noch während Enoch Root ihn an Bord des Bootes zusammenflickte, entwarf Waterhouse in Gedanken ein primitives Modell davon, wie der Zuhaltungsmechanismus des Safes beschaffen sein könnte, und rief sich das Ding vor sein geistiges Auge. Und noch während der Rest von Abteilung 2702 in die Kojen, Hängematten und Schlafsäcke in der Kapelle von Qwghlm Castle plumpst, schnürt ein geschienter und bandagierter Waterhouse durch die gebohnerten Flure der besseren Ecke dieses Gebäudes und sucht nach zwei gebrauchten Rasierklingen und einem Brocken Kohle.
    Die Rasierklingen findet er in einem Abfalleimer, die Kohle klaut er aus dem Wandschrank, in dem Ghnxh den Galvanischen Lucipher aufbewahrt. Er nimmt sie, nebst einem ziegelsteingroßen Kristall harten Leims und einer Lötlampe, in die Kapelle mit, wo alle anderen schon schlafen. Die einfachen Soldaten befinden sich im Schiff, wie es Marines geziemt, die im Grunde eine Seestreitkraft sind. Offiziere befinden sich im