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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gedrosselt werden. Die plötzliche Stille und der wahrnehmbare Verlust an Fahrt und Leistung sind nicht beruhigend. Ihn überkommt das übliche perverse Gefühl von Hochspannung, Übelkeit und Hyperaktiviät, die das Gefecht jedes Mal zu einem überaus anregenden Erlebnis machen.
     
     
     
    Bis dato hat der zerbeulte Dampfer aus Trinidad die Wasser des Atlantiks den ganzen Krieg hindurch ohne Zwischenfälle befahren, ist zwischen afrikanischen und karibischen Häfen hin und her geschippert und hat sich gelegentlich bis zu den Azoren gewagt. Vielleicht ist er ab und zu von einem Unterseeboot auf Feindfahrt gesichtet und für nicht wert befunden worden, dass man einen Torpedo an ihn verschwendet. Heute jedoch hat sich sein Schicksal geändert – und zwar zum Schlechteren. Man ist durch blinden Zufall auf eine Milchkuh – ein Versorgungs-Unterseeboot der Kriegsmarine des Dritten Reiches – gestoßen. Die Mannschaft des Dampfers, lauter schuhlederbraune, normalerweise unbeschwerte Neger, hat sich an der Reling aufgereiht und starrt auf das eigenartige Bild – zwei mitten im Ozean aneinander vertäute Schiffe, die nirgendwohin fahren. Doch im Näherkommen bemerken sie, dass eines der Schiffe ein Mordwerkzeug ist und dass das andere die Kriegsflagge der Deutschen Kriegsmarine führt. Zu spät drosseln sie ihre Maschinen.
    Eine Weile herrscht wilde Konfusion – für die niedrigen Schwabbergasten mag das ein interessantes Schauspiel sein, aber die gewitzten Neger auf der Brücke wissen, dass sie in Schwierigkeiten sind – sie haben etwas gesehen, was sie nicht hätten sehen dürfen. Sie drehen nach Süden ab und machen dass sie wegkommen! Eine Stunde lang hetzen sie verzweifelt übers Meer. Aber sie werden unbarmherzig von einem Unterseeboot verfolgt, das wie ein Bowie-Messer durch die Wellen schneidet. Das Unterseeboot hat seine Peitschenantenne ausgefahren, hört die üblichen Frequenzen ab und bekommt deshalb mit, wie auf dem Dampfer aus Trinidad das Funkgerät eingeschaltet und ein SOS-Signal abgesetzt wird. Mit einem kurzen Strom von Kurz und Lang gibt der Funker seine Position – und die der Milchkuh – durch, und er klopft damit sein eigenes Todesurteil.
    Verdammte Untermenschen! Sie haben es tatsächlich getan! Nun dauert es keine vierundzwanzig Stunden mehr, bis die Milchkuh von den Alliierten ausfindig gemacht und versenkt wird. Und es besteht durchaus die Möglichkeit, dass im Zuge dessen auch ein paar Unterseeboote zur Strecke gebracht werden. Das ist kein schöner Tod – mehrere Tage lang über den Ozean gejagt und von Beschuss und Bomben zermürbt zu werden. Solche Sachen überzeugen auch den normalen, durchschnittlichen Obertorpedomaat vom Plan des Führers, alle Menschen aufzuspüren, die keine Deutschen sind, und sie umzubringen.
    Unterdessen muss sich unser gewöhnlicher Kapitänleutnant fragen: Wie hoch ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Trampdampfer aus Trinidad in der Weite des Atlantischen Ozeans ganz zufällig auf uns und unsere Milchkuh stößt?
    Wahrscheinlich ließe sich das berechnen, wenn man über die richtigen Daten verfügt:
    N n = Anzahl der Neger pro Quadratkilometer
    N m = Anzahl der Milchkühe
    F A = Fläche des Atlantischen Ozeans
    ... und so weiter. Aber Moment mal, weder Neger noch Milchkühe sind zufällig verteilt, deshalb wird die Berechnung immens viel komplizierter. Viel zu kompliziert, als dass ein Kapitänleutnant damit zurande käme, zumal wenn er damit beschäftigt ist, für eine dramatische Reduzierung von N n zu sorgen.
    Der Dampfer aus Trindidad wird von einem Schuss vor den Bug aus der Deckskanone des Unterseeboots gestoppt. Die Neger versammeln sich an Deck, aber sie zögern einen Moment lang, die Rettungsboote zu Wasser zu lassen. Vielleicht geben die Deutschen ihnen ja eine Chance.
    Typisches, schlampiges, sentimentales Untermenschen-Denken. Die Deutschen haben sie gestoppt, damit sie schön still halten und sich torpedieren lassen. Sobald den Negern das aufgeht, legen sie eine eindrucksvolle Rettungsübung hin. Dass sie überhaupt genügend Rettungsboote für alle haben, ist an sich schon bemerkenswert, aber die ruhige, geübte Geschicklichkeit, mit der sie sie zu Wasser lassen und an Bord gehen, ist geradezu phänomenal. Sie könnte einen deutschen Marineoffizier veranlassen, wenigstens einen Moment lang seine Ansichten über die Unzulänglichkeiten von Farbigen zu revidieren.
    Es folgt ein Torpedo-Schuss wie aus dem Lehrbuch! Der Torpedo wird

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